In der Praxis bestehen Besonderheiten für das Recht auf Akteneinsicht. Hierzu möchten wir Ihnen hier einen ersten Überblick geben. Das Recht auf Akteneinsicht hat eine besondere Bedeutung, da jeder Betroffene bzw. Beschuldigte sich im Steuerstrafverfahren sinnvoll erst äußern kann, wenn er weiß, welcher Vorwurf gegen ihn erhoben wird und welche Beweismittel vorliegen. Daher empfehlen wir als Steuerstrafverteidiger, dass sich ein Beschuldigter nicht vorschnell zu Vorwürfen äußert.
Der Gesetzgeber sieht in § 147 StPO vor, dass grundsätzlich nur der Strafverteidiger berechtigt ist, Akteneinsicht zu beantragen.
Der Beschuldigte hat grundsätzlich kein Recht auf Akteneinsicht. Dies ist die herrschende Ansicht nach deutschem Recht. Allerdings hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bereits einmal die Ansicht vertreten, dass auch dem Beschuldigten ein Akteneinsichtsrecht zustehe (betreffend den Beschuldigten, der sich selbst verteidigt). Der Gesetzgeber gibt den Beschuldigten im Rahmen des § 147 Abs. 7 StPO ein begrenztes Recht auf Akteneinsicht nach einer Abwägung im Einzelfall.
Zu den Akten, auf die sich das Akteneinsichtsrecht des Verteidigers bezieht, gehören alle Akten, die vom ersten Zugriff der Steuerfahndung an gesammelt worden sind und die bei Anklageerhebung dem Gericht vorzulegen wären. Weiterhin erstreckt sich das Einsichtsrecht auch auf die nach der Anklageerhebung entstandenen Aktenteile und die vom Gericht herangezogenen oder von der Staatsanwaltschaft nachgereichten Beiakten.
Hingegen gilt das Akteneinsichtsrecht nicht für Handakten der Staatsanwaltschaft und andere innerdienstliche Vorgänge. Im Einzelfall ist jedoch durchaus streitig, ob es sich um derartige Unterlagen handelt, die nicht vom Akteneinsichtsrecht umfasst sind. Insbesondere darf die Ermittlungsbehörde nicht nach freiem Ermessen entscheiden, ob es Unterlagen dem Akteneinsichtsrecht entzieht oder nicht.
Das Akteneinsichtsrecht betrifft auch die Akten anderer Behörden. Dies gilt selbst dann, wenn die andere Behörde die Akte der ermittelnden Behörde mit einer so genannten Vertraulichkeitsbitte übersandt hat. Allerdings wird in der Praxis teilweise (in Steuerstrafverfahren allerdings eher selten) eine Sperre nach § 96 StPO durch die oberste Dienstbehörde verhängt. Dann darf zunächst keine Akteneinsicht in diese Akte gewährt werden. Die Akteneinsicht umfasst insbesondere auch Beiakten, also z.B. Vorstrafen- Personal- und Steuerakten sowie Akten über Zivil- und Verwaltungsprozess. Das Datenschutzrecht ist kein Grund für eine Behörde, die Akteneinsicht zu verweigern.
Ermittlungsbehörden und Gerichte führen Akten vermehrt elektronisch. Computerausdrücke und elektronische Daten sind zur Akte zu nehmen und werden daher Bestandteil der Akte. Selbstverständlich bezieht sich das Recht auf Akteneinsicht auch auf diese Daten.
In manchen Fällen fragen uns Mandanten, ob sie z.B. Akteneinsicht nehmen können, um z.B. einen zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch gegen eine andere Person oder Behörden geltend machen zu können. Grundsätzlich gilt, dass ein Recht auf Akteneinsicht nur bei einem berechtigten Interesse durchgesetzt werden kann. Beispielsweise hat der Gesetzgeber für wissenschaftliche Zwecke die Regelung des § 476 StPO geschaffen. Ob im Einzelfall ein berechtigtes Interesse besteht, kann nur jeweils konkret entschieden werden.
Der Gesetzgeber hat eine zeitliche Sperre vorgesehen. Im Ermittlungsverfahren kann eine Ablehnung der Akteneinsicht nur dann angefochten werden, wenn die Versagung nach dem Abschluss der Ermittlungen erfolgt ist. Dies ist der Zeitpunkt, in dem dieser Abschluss in den Akten vermerkt worden ist. Vor diesem Zeitpunkt des Abschlusses der Ermittlungen kann eine Anfechtung nur dann erfolgen, wenn es sich um Unterlagen im Sinne des § 147 Abs. 3 StPO handelt oder der Beschuldigte sich in Untersuchungshaft befindet. Im Falle der Untersuchungshaft ist es dem Beschuldigten nämlich nicht zumutbar, bis zum Abschluss der Ermittlungen zu warten. Überhaupt gelten im Bereich der Untersuchungshaft besondere Rechtsschutzmöglichkeiten, über die im Rahmen einer Erstberatung durch unsere Steueranwälte Klarheit verschafft werden kann. Soweit eine Akteneinsicht durch eine richterliche Entscheidung verwehrt wird, kann gegen diese Ablehnung die Beschwerde erhoben werden (§ 307 Abs. 1 StPO). Wird die Akteneinsicht hingegen durch die Ermittlungsbehörde (Staatsanwaltschaft oder Straf- und Bußgeldsachenstelle) verwehrt, so ist richtiger Rechtsbehelf der Antrag auf gerichtliche Entscheidung.
Das Recht auf Akteneinsicht ist ein elementares Recht des Beschuldigten und sollte daher professionell durch einen Strafverteidiger geltend gemacht und notfalls durchgesetzt werden. Hierbei bestehen teilweise besondere Fallstricke, die von einem Strafverteidiger umschifft werden können. Im Rahmen von Strafverteidigungen setzen wir das Recht auf Akteneinsicht umfassend durch.
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