Ein familiärer Todesfall ist immer ein tiefer Einschnitt in das Leben der Hinterbliebenen. Alle Kraft konzentriert sich auf die Vorbereitung der Trauerfeierlichkeiten. Handeln fällt in dieser Situation sehr schwer und kaum jemand hat den Kopf frei, um wichtige, nach dem Todesfall erforderliche Formalitäten zu erledigen. Dazu gehört beispielsweise die Meldung des Todesfalls beim örtlichen Standesamt unter Vorlage der vom Arzt zuvor ausgestellten Todesbescheinigung. Gleichzeitig wird der Todesfall in das Sterberegister eingetragen und anschließend die Sterbeurkunde ausgestellt. Die Sterbeurkunde wird regelmäßig beim Nachlassgericht eingereicht, um einen Erbschein zu beantragen. Die Sterbeurkunde wird auch benötigt, um sie bei der Rentenversicherung und den Verstorbenen betreffenden Versicherungsgesellschaften und Bankinstituten oder bei sonstigen Vertragspartnern vorzulegen. Niemand denkt in dieser Situation an das Finanzamt oder gar an die Erbschaftsteuer.
Bereits die Standesämter haben die Pflicht, Sterbefälle an das zuständige Finanzamt zu melden. Aber auch ohne eine solche Meldung durch das zuständige Standesamt erfährt das Finanzamt im Erbfall vom Vermögensübergang, denn alle anderen Behörden und Institutionen wie Amtsgerichte, Notare, Behörden und Versicherungsunternehmen sind neben den Banken und Kreditinstituten anzeigepflichtig, was bedeutet, dass sie zur Mitteilung des Todesfalls an das Finanzamt gesetzlich verpflichtet sind.
Auf der Grundlage des Erbschaftsteuergesetzes und der Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung sind Banken und Kreditinstitute bei einem Erbfall gesetzlich verpflichtet, den Tod eines Kunden dem Finanzamt zu melden. Die Banken zeigen dem Finanzamt die Bestände von Wertpapierdepots, Spareinlagen, aufgelaufene Zinsen, ausgezahlte Versicherungspolicen und Kontoguthaben sowie alle für den verstorbenen Kunden verwalteten Vermögensgegenstände an, sofern sie den Betrag von 1.200 Euro übersteigen. Gemeldet werden außerdem Schließfächer und sonstige Verwahrstücke, wobei bestehende Verbindlichkeiten, beispielsweise aus einem laufenden Kredit, nicht verrechnet werden dürfen. Hintergrund dieser Meldepflichten ist das Interesse des Staates an einer umfassenden Offenlegung des vererbten Vermögens zur Vermeidung von Steuerausfällen durch die Hinterziehung von Erbschaftsteuer. Stichtag für die Auskunft an das Finanzamt ist der Vermögensstand des dem Todestag vorangegangenen Tages.
Weiterhin melden die Banken vorhandene Schließfächer, die möglicherweise Auskunft über verschwiegenen Auslandsbesitz geben können. Der „Arm des Finanzamtes“ reicht dabei weit über die Grenzen des Bundesgebietes hinaus. Unselbstständige ausländische Tochtergesellschaften deutscher Banken sind gegenüber ihren deutschen Mutterhäusern verpflichtet, Meldung über die Vermögenswerte des Verstorbenen zu machen.
Die Erbschaftsteuer entsteht mit dem Tod des Erblassers. Jeder Erwerb, der der Erbschaftsteuer unterliegt, ist vom Erwerber innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten dem für die Erhebung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt zu melden (§ 30 Abs. 1 Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz [ErbStG]). Die Frist beginnt, sobald der Erwerber Kenntnis vom Erbfall erlangt hat.
Die örtliche Zuständigkeit des Finanzamtes ergibt sich aus § 35 ErbStG. Danach ist grundsätzlich das Erbschaftsteuerfinanzamt zuständig, in dessen Bereich der Erblasser zuletzt seinen Wohnsitz hatte. Lag der Wohnsitz im Ausland, richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Wohnsitz des Erben. Im Zweifel geben die jeweiligen Wohnsitzfinanzämter bei einer entsprechenden Nachfrage der Erben darüber Auskunft, welches Erbschaftsteuerfinanzamt örtlich zuständig ist.
Die Anzeige der Erben an das Finanzamt hat schriftlich unter Angabe des Rechtsgrunds des Erwerbs sowie des Gegenstands und des Wertes zu erfolgen. Eine detaillierte Aufzählung enthält § 30 Abs. 4 ErbStG. Danach sollte die Mitteilung an das Finanzamt folgende Angaben enthalten:
Nach Eingang der Mitteilung des Erwerbers prüft das Finanzamt, ob der Anzeigende zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung verpflichtet ist oder nicht. Fällt die Prüfung positiv aus, wird der Erwerber zur Abgabe aufgefordert. Die Anzeigepflicht gegenüber dem Finanzamt entfällt nur dann, wenn es sich zweifelsfrei um einen steuerfreien Erwerb handelt oder wenn der Erwerb auf einem notariell oder gerichtlich eröffneten Testament beruht oder im Falle von Schenkungen, die notariell beurkundet worden sind.
Der Tatbestand der Erbschaftsteuerhinterziehung nach §§ 369 ff. AO ist schneller verwirklicht, als gemeinhin bekannt. So begeht man eine Steuerhinterziehung meist durch eine aktive Handlung, nämlich indem man gegenüber Finanzbehörden unrichtige oder unvollständige Angaben macht. Jedoch wird gerade in Fällen der Erbschafts- und Schenkungssteuer eine Steuerhinterziehung häufig durch ein Unterlassen begangen. Dies ist dann der Fall, wenn man Behörden entgegen seiner Pflicht über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt. Unabhängig von den objektiven Umständen (aktives Handeln oder Unterlassen) ist weiterhin erforderlich, dass man mit der Absicht handelt, Steuern zu verkürzen oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile zu erlangen. Diese Voraussetzung ist bereits dann erfüllt, wenn die „Steuerersparnis“ lediglich gebilligter Nebeneffekt ist. Bei der Hinterziehung von Erbschaft- und Schenkungsteuer bleibt bei der Frage, ob vorsätzliches Handeln vorliegt oder nicht, meist nur wenig Argumentationsspielraum. Sind dem Erben Art und Umfang der Erbschaft bekannt und gibt er keine Erbschaftsteuererklärung ab, unterstellt die Rechtsprechung in aller Regel vorsätzliches Handeln und damit eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen. Beauftragt man dagegen zeitnah einen Steuerberater oder Fachanwalt für Steuerrecht mit der Erstellung der Erbschaftsteuererklärung und wird diese dann nicht rechtzeitig oder gar nicht abgegeben, liegt kein vorsätzliches Handeln vor (BFH vom 11.05.2012, Az. II B 63/11, BFH/NV 2012, 1455).
Im Strafrecht gilt der Grundsatz, dass Dritte - also auch etwaige Erben - weder persönlich noch finanziell für Straftaten des Verstorbenen haften müssen. Dies gilt im Falle der Steuerhinterziehung nicht ohne weiteres. Im Steuerrecht trifft den/die Erben nämlich nach § 153 Abgabenordnung (AO) die Pflicht, vom Erblasser bisher unrichtig abgegebene Steuererklärungen zu berichtigen. Dies setzt zunächst voraus, dass der Erbe Kenntnis davon hat, dass der Erblasser in den Jahren vor seinem Tod unrichtige Steuererklärungen abgegeben hat. In diesem Zusammenhang sind exemplarisch die Fälle zu nennen, in denen die Erben erstmals von einem Konto im Ausland erfahren, deren Erträge vom Verstorbenen bisher nicht erklärt wurden. In einem solchen Fall sollten die Erben zunächst zeitnah prüfen, ob der Erblasser dieses Konto und die daraus resultierenden Erträge beim Finanzamt mitgeteilt hat oder nicht. Hat er sie - was häufig der Fall sein wird - bisher verschwiegen, sollten gegenüber dem Finanzamt keine voreiligen Erklärungen abgegeben werden. Vielmehr sind die bestehenden Möglichkeiten, z.B. eine Berichtigungserklärung nach § 153 AO mit dem jeweiligen Rechtsanwalt / Fachanwalt für Steuerrecht zu besprechen. Hier gilt es für die Erben nach Möglichkeit ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung zu vermeiden. Kommen die Erben nämlich der Berichtigungspflicht nach § 153 AO nicht nach, machen sie die Steuerhinterziehung des Erblassers zu einer eigenen Steuerhinterziehung. Sie „haften“ dann nicht nur für die zu Lebzeiten des Erblassers begangene Steuerhinterziehung, sondern auch für die sich nach dem Erbfall fortsetzende Steuerhinterziehung. Die geschilderte „Haftung“ der Erben und ihre Pflichten zur Berichtigung nach § 153 AO treffen etwaige Vermächtnisnehmer nicht. Diese sind also insoweit privilegiert, da sie nicht den "Direkt-Zugang“ zur Erbmasse haben.
Aufgrund der langen steuerlichen Verjährungsfristen ist zudem auf ebenfalls zu entrichtenden Hinterziehungszinsen nach § 235 AO hinzuweisen. Diese betragen 6 % des hinterzogenen Steuerbetrages pro Jahr. Die Zinsen können also für die ältesten steuerlich unverjährten Zeiträume 60% (10 Jahre mal 6 %) und mehr betragen.
Zur Vermeidung böser Überraschungen sollten die Erben gemeinsam mit einem Steuerberater oder Fachanwalt für Steuerrecht zunächst den maßgeblichen Sachverhalt aufarbeiten, denn nur wenn der Sachverhalt vollständig bekannt ist, können auf dieser Grundlage vernünftige Entscheidungen gefällt werden. Es sollte sich also zunächst ein detaillierter Einblick in die finanziellen Verhältnisse des Erblassers verschafft werden. Sobald klar erkennbar ist, dass der Erblasser nicht alle Einkünfte versteuert hat, muss gemeinsam mit dem Steuerberater oder Fachanwalt für Steuerrecht eine Strategie zum weiteren Vorgehen erarbeitet werden. Sollten sich die Erben dazu entscheiden, die Steuerhinterziehung des Erblassers offen zu legen, können sie im Rahmen der Erbschaftsteuererklärung die für den Verstorbenen geleisteten Steuernachzahlungen als Erblasser-Verbindlichkeiten abziehen, so dass sich zumindest die Erbschaftsteuerbelastung mindert.
Für die Berechnung der Verjährungsfristen gilt es im Fall der Hinterziehung von Erbschaftsteuern Besonderheiten zu beachten. Darauf sollte Sie Steuerberater / Fachanwalt für Steuerrecht ganz besonders hinweisen. Grundsätzlich ist zwischen der strafrechtlichen und der steuerrechtlichen Verjährungsfrist zu unterscheiden.
Die strafrechtliche Verjährungsfrist, also der Zeitraum innerhalb dessen man strafrechtlich belangt werden kann, beträgt fünf Jahre § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB (Strafgesetzbuch). Machen die Erben in der Erbschaftsteuererklärung falsche Angaben und wird die Erbschaftsteuer daraufhin zu niedrig festgesetzt, beginnt die Verjährungsfrist mit der Bekanntgabe des Erbschaftsteuerbescheides. Wird dagegen keine Steuererklärung abgegeben, gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) - unter anhaltender Kritik in der Fachliteratur - für Veranlagungssteuern, wie der Erbschaftsteuer, der Zeitpunkt als Verjährungsbeginn, zu dem das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten in dem betreffenden Bezirk allgemein abgeschlossen hat. Dieser für die Einkommensteuer als jährlicher Veranlagungssteuer relativ leicht feststellbare Zeitpunkt ist für die Erbschaftsteuer in der Praxis nicht ermittelbar. Dieses Problem liefe quasi auf eine strafrechtliche Unverjährbarkeit der Erbschaftsteuerhinterziehung hinaus. In dubio pro reo wird man für die Erben im Einklang mit den Vorgaben des BGH annehmen müssen, dass die Veranlagung der Erbschaftsteuer bei ordnungsgemäßer Abgabe innerhalb des drei Monatszeitraums des § 30 Abs. 1 ErbStG zeitnah erfolgt wäre. Liegt ein besonders schwerer Fall der Erbschaftsteuerhinterziehung vor (§ 370 Abs. 3 AO), dies wird teilweise schon bei Steuerschäden größer als EUR 50.000,- angenommen, verlängert sich die strafrechtliche Verjährungsfrist gemäß § 376 Abs. 1 AO auf 10 Jahre.
Anders verhält es sich bei der steuerrechtlichen Verjährungsfrist. Diese beträgt bei Steuerhinterziehung unabhängig von der Höhe des Steuerschadens immer zehn Jahre. Die Frist beginnt, anders als im Strafrecht, gemäß §§ 169, 170 Abs. 5 Nr. 1 AO in Fällen einer Erbschaft nicht vor Ablauf des Jahres, in dem der Erbe Kenntnis von der Erbschaft erlangt hat. Im Übrigen beginnt die Verjährungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erbschaftsteuererklärung abgegeben wurde. Wurde die Abgabe der Erbschaftsteuererklärung unterlassen, beginnt die Zehn-Jahres-Frist also mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Erbe Kenntnis von seiner Erbschaft erlangt hat.
In Schenkungssteuerfällen beginnt die Verjährungsfrist nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat. Im Fall der Hinterziehung von Schenkungsteuer ist es also denkbar, dass aufgrund der Anlaufhemmung die Verjährungsfrist erst nach Jahrzehnten zu laufen beginnt, nämlich mit dem Tod des Schenkers. In diesen Fällen hat der Steuerberater / Fachanwalt für Steuerrecht also besondere Sorgfalt bei der Fristberechnung walten zu lassen.
In unserem Beitrag zur Selbstanzeige finden Sie wichtige Hinweise für Erben.
Gemäß § 398a AO können die an einer Steuerhinterziehung beteiligten Erben einer Geld- oder Haftstrafe unter bestimmten Voraussetzungen auch dann noch entgehen, wenn die Selbstanzeige wegen der Höhe des Steuerschadens (problematisch bei Schäden ab EUR 50.000,-) gesperrt ist. Zu den Voraussetzungen zählt zunächst, dass die Erben in der Lage sind, den gesamten Steuerschaden innerhalb eines angemessenen Zeitraums zu begleichen. Sind sie dazu nicht in der Lage, beispielsweise weil die Erbmasse nicht ausreicht und die Frist zur Ausschlagung des Erbes bereits abgelaufen ist, tritt keine Straffreiheit ein. Ein Fachanwalt für Steuerrecht kann in diesen Fällen aber immer noch auf eine Strafmilderung hinwirken. Weitere Voraussetzung für die Straffreiheit nach § 398a AI ist die Leistung eines - in der Literatur auf große Kritik gestoßenen - sog. Strafzuschlags in Höhe von 5% der hinterzogenen Steuern. Dieser Strafzuschlag wird unabhängig und damit zusätzlich zur Regelverzinsung nach § 235 AO (6% der hinterzogenen Steuer für jedes steuerlich unverjährte Jahr) erhoben. Nur wenn beide Voraussetzungen erfüllt sind, wird auf eine strafrechtliche Verfolgung wegen Steuerhinterziehung verzichtet.
LHP Rechtsanwälte stehen Ihnen im Rahmen steuerrechtlicher Beratung wie steuerstrafrechtlicher Aufklärung im Zusammenhang mit Steuerdelikten zur Verfügung, übernehmen anwaltliche Vorbereitung und Begleitung von Betriebsprüfungen und verteidigen Sie gegenüber Finanzbehörden und Gerichten beim Verdacht der Steuerhinterziehung. Ziel der Vertretung im Steuerstrafrecht ist die Straffreiheit bzw. ein möglichst geringes Strafmaß. Darüberhinaus sind wir als Testamentsvollstrecker tätig und beraten zu rechtssicherer wie steueroptimaler Vermögensnachfolge.
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