Das Steueroasenabwehrgesetz und die Folgen für deutsche Unternehmen
Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben Abwehrmaßnahmen und Vereinbarungen getroffen, um Länder und Steuerhoheitsgebiete außerhalb der EU zur Einhaltung internationaler Steuerstandards zu verpflichten. Gleichzeitig werden auch europäische Unternehmen und natürliche Personen in die Pflicht - und unter Umständen auch in die Haftung - genommen, wenn sie Geschäftsbeziehungen oder Beteiligungsverhältnisse in Steueroasen außerhalb der EU unterhalten.
Das Steueroasenabwehrgesetz (StAbwG) ist die nationale Umsetzung dieser europäischen Maßnahmen in das deutsche Steuerrecht.
Das Gesetz ist am 1. Januar 2022 in Kraft getreten und sieht in seinem Anwendungsbereich gesteigerte Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten (§ 12 StAbwG) vor, ein Verbot von Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzug (§ 8 StAbwG), eine verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung (§ 9 StAbwG), Quellensteuermaßnahmen und eine erweiterte beschränkte Steuerpflicht (§ 10 StAbwG) sowie Maßnahmen bei Gewinnausschüttungen und Anteilsveräußerung (§ 11 StAbwG).
Bei Nichtbeachtung der Vorschrift drohen hohe Steuernachzahlungen und Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung. Aus diesem Grund sollten Unternehmen und Privatpersonen die Regelungen und Rechtsfolgen des StAbwG kennen.
Die „Schwarze Liste“ nicht kooperativer Länder und Steuerhoheitsgebiete
Die EU führt eine „Schwarze Liste“ von Steueroasen und listet dort die sogenannten „nicht kooperativen Länder und Steuerhoheitsgebiete“, die für Steuerzwecke wie Steuerhinterziehung oder Steuervermeidung eingesetzt werden und die zu wenig Steuertransparenz bieten.
Nach § 2 Abs. 1 StAbwG gilt ein Land oder ein Steuerhoheitsgebiet als nicht kooperativ, wenn es die Voraussetzungen von § 4 Abs. 1 (Intransparenz in Steuersachen), § 5 Abs. 1 (Unfairer Steuerwettbewerb) oder § 6 StAbwG (Nichterfüllung der BEPS-Mindeststandards) verwirklicht.
Diese Liste umfasst derzeit (Stand: 8. Oktober 2024) die folgenden nicht kooperativen Länder und Steuerhoheitsgebiete:
Weitere Länder und Gebiete, die derzeit unter das sog. EU-Screening-Verfahren fallen sind die Türkei, Vietnam, Belize, Britische Jungferninseln, Costa Rica, Seychellen und Antigua und Barbuda.
Anwendungsbereich:
Wann und für wen ist das Steueroasenabwehrgesetz anwendbar?
Nach § 7 StAbwG ist der Anwendungsbereich für die unten beschriebenen Abwehrmaßnahmen eröffnet, wenn ein Steuerpflichtiger Geschäftsbeziehungen oder Beteiligungsverhältnisse in oder mit Bezug zu einem nicht kooperativen Land oder Steuerhoheitsgebiet unterhält.
Die Tatbestandsvoraussetzungen sind also denkbar weit:
Der Begriff Steuerpflichtiger meint den persönlichen Anwendungsbereich und umfasst natürliche Personen, Körperschaften (Kapitalgesellschaften), Personenvereinigungen (Personengesellschaften) und Vermögensmassen einschließlich Betriebsstätten ungeachtet deren steuerlichen Ansässigkeit, vgl. § 1 Abs. 1 StAbwG.
Der Begriff Geschäftsbeziehungen ist an § 1 Abs. 4 AStG angelehnt und ist ebenfalls sehr weit gefasst, weil er nicht nur an schuldrechtliche Beziehungen anknüpft, sondern alle wirtschaftlichen Vorgänge tatsächlicher oder rechtlicher Art einbezieht, also auch reine Betriebsstättenfälle zwischen einem Unternehmer und seiner Betriebsstätte.
Sobald ein Unternehmen oder eine Privatpersonen Einkünfte, Beteiligungen oder Geschäftsbeziehungen aus oder in eines der gelisteten Länder unterhält, folgen daraus grundsätzlich die steuerlichen Pflichten und Beschränkungen, wenn auch der zeitliche Anwendungsbereich eröffnet ist.
Der zeitliche Anwendungsbereich ist in der Regel ab Beginn des Folgejahres eröffnet, in der das betroffene Steuerhoheitsgebiet erstmals in die schwarze Liste eingetragen ist, § 3 Abs. 2 S. 1 StAbwG.
Abwehrmaßnahme in § 8 StAbwG:
Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzugsverbot
Aufwendungen und Kosten aus Geschäftsvorgängen in dem zuvor beschriebenen Anwendungsbereich (§ 7 StAbwG, s.o.) dürfen nicht gewinn- oder einkommensmindernd angesetzt werden. Hiervon gibt es allerdings zwei Ausnahmen.
Ausnahmen:
Nach § 8 S. 2 Nr. 1 StAbwG gilt das Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzugsverbot dann nicht, wenn die Aufwendungen mit solchen Erträgen zusammenhängen, die in Deutschland unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig sind.
Nach § 8 S. 2 Nr. 2 StAbwG gilt das Abzugsverbot auch dann nicht, wenn für die entsprechenden Erträge ein Hinzurechnungsbetrag nach § 10 Abs. 1 S. 1 AStG angesetzt wird (also bei passiven Einkünften aus einer nach § 7 AStG „deutsch – beherrschten“ ausländischen Kapitalgesellschaft).
ACHTUNG: Werden die Abzugsverbote nicht beachtet, können daraus unmittelbare steuerstrafrechtliche Konsequenzen erwachsen.
Abwehrmaßnahme in § 9 StAbwG:
Verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung
Die Abwehrmaßnahme nach § 9 StAbwG ergänzt und verschärft die allgemeinen Regelungen der Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 ff AStG) für Gesellschaften, die in den gelisteten, nicht kooperativen Ländern und Steuerhoheitsgebieten ansässig sind.
Sobald eine unbeschränkt steuerpflichtige Person beherrschend an solch einer Gesellschaft beteiligt ist, gilt die Gesellschaft, ungeachtet der Ausnahmen des AStG steuerrechtlich als Zwischengesellschaften für die ihre gesamten aktiven (!) und passiven Einkünfte, die insgesamt einer niedrigen Besteuerung im Sinne des § 8 Abs. 5 AStG unterliegt.
Der Unterschied zur allgemeinen Hinzurechnungsbesteuerung liegt also darin, dass nicht mehr zwischen aktiven Einkünften im Sinne des § 8 Abs. 1 AStG und sonstigen (passiven) Einkünften unterschieden wird. Auch die Ausnahmetatbestände nach § 8 Abs. 2 bis 4 AStG (Motivtest) und die Wahrung der Freigrenze bei gemischten Einkünften (§ 9 AStG) kommen bei der verschärften Hinzurechnungsbesteuerung nicht zur Anwendung.
ACHTUNG: Werden etwaige Hinzurechnungsbeträge unzutreffend ermittelt und erklärt, können daraus unmittelbare steuerstrafrechtliche Konsequenzen erwachsen.
Abwehrmaßnahme in § 10 StAbwG:
Quellensteuer und erweiterte beschränkte Steuerpflicht
Ein besonderes Haftungsrisiko für deutsche Unternehmen und auch Privatpersonen folgt aus der erweiterten Quellensteuerpflicht nach § 10 StAbwG.
Die beschränkte Steuerpflicht aus § 49 EStG wird für natürliche Personen und Gesellschaften, die in einem nicht kooperativen Land oder Steuerhoheitsgebiet ansässig sind, erweitert auf Einkünfte aus
Diese Quellensteuer entsteht bereits in dem Zeitpunkt, in dem die Vergütung dem Gläubiger zufließt. Sie ist im Wege des Steuerabzugs in Höhe von 15% der gesamten Einnahmen (zzgl. 5,5% Solidaritätszuschlag) vom – in der Regel in Deutschland ansässigen Schuldner – einzubehalten und abzuführen, weil § 10 Abs. 2 StAbwG auf die Regelungen des § 50a EStG verweist.
ACHTUNG: Wird die Pflicht zum Einbehalt und zur Abführung der Quellensteuer nicht erkannt / beachtet, können daraus unmittelbare steuerstrafrechtliche Konsequenzen erwachsen.
Abwehrmaßnahme in § 11 StAbwG:
Versagung der Steuerbefreiung für Gewinnausschüttungen und Veräußerungsgewinne
Für Gewinnausschüttungen wie Dividenden und andere Bezüge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 9 und Nr. 10a EStG ist die Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 S. 1 KStG (Beteiligung einer Kapitalgesellschaft von mindestens 10% an einer anderen Kapitalgesellschaft) ausgeschlossen, wenn diese Leistung von einer in einem nicht kooperativen Land oder Steuerhoheitsgebiet ansässigen Körperschaft geleistet wird.
Wenn die Gewinnausschüttung oder die Bezüge nachweislich aus Beträgen stammen, die bei der ausschüttenden Gesellschaft der inländischen Quellenbesteuerung nach § 10 StAbwG unterliegen oder für die bereits das Abzugsverbot nach § 8 StAbwG angewendet wurde, gilt eine Ausnahme.
Verpflichtung nach § 12 StAbwG:
Gesteigerte Aufzeichnungs- und Mitwirkungspflichten
Für alle Geschäftsvorgänge im Sinne des § 7 StAbwG müssen die Steuerpflichtigen die umfangreichen Aufzeichnungspflichten aus § 12 Abs. 1 StAbwG erfüllen und diese Aufzeichnungen dann rechtszeitig an die zuständige Finanzbehörde übermitteln.
Auf Aufforderung muss der Steuerpflichtige an Eides statt die Richtigkeit der Aufzeichnungen versichern oder den Finanzbehörden eine Auskunftsvollmacht erteilen, damit die Behörde den Auskunftsanspruch gerichtlich oder außergerichtlich geltend machen kann.
Einzelne Beispiele für die Aufzeichnungs- und Übermittlungspflicht des Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit Geschäftsbeziehungen in gelistete Länder und Steuerhoheitsgebiete:
Spätestens ab dem 01. Januar 2025 müssen diese Aufzeichnungen, die aufgrund der gesteigerten Mitwirkungspflichten nach § 12 Abs. 1 StAbwG verpflichtend sind, für alle vergangenen Geschäftsjahre und spätestens ein Jahr nach Ablauf des Kalender- oder Wirtschaftsjahres erstellt und an die Finanzbehörden übermittelt werden.
Steuerliche Beratung durch einen auf internationales Steuerrecht spezialisierten Fachanwalt für Steuerrecht oder Steuerberater
Unternehmen, Gesellschaften und Privatpersonen, die Geschäftsbeziehungen in die gelisteten Länder unterhalten, sind umfangreichen steuerrechtlichen Verpflichtungen ausgesetzt, die mit erheblichen Steuerbelastungen, Haftungsrisiken und steuerstrafrechtlichen Folgen einhergehen können.
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