In der Praxis kehren diese Fragen immer wieder: Welche Rechtsprechung gilt bei Säumniszuschlägen für die Frage des Verschuldens? Wer trägt hierfür die Feststellungslast ("Beweislast")? Auf diese Fragen soll daher hier eingegangen werden. Eine Beratung im Einzelfall wird hierdurch natürlich nicht ersetzt.
Die Ansprüche auf Beitragszahlung verjähren im Normalfall 4 Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem sie fällig geworden sind (§ 25 Abs. 1 SGB IV ). Während der Dauer der Prüfung ist die Verjährung gehemmt. Die Verjährungsfrist für rückständige Beiträge verlängert sich im Ausnahmefall auf bis zu 30 Jahre (insbesondere bei Vorsatz). Dies ist aber eine Frage des Einzelfalles. Ob Säumniszuschläge auf rückständige Beiträge zu erheben sind, ist in der Praxis oft eine Schicksalsfrage, denn bei 12 % pro Jahr türmen sich oft erhebliche Beträge auf. Säumniszuschläge werden – wenn sie erhoben werden – für den Zeitraum ab Fälligkeit der Beiträge bis zum Vormonat der Schlussbesprechung geltend gemacht. Für Beiträge, die der Arbeitgeber nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag i. H. von 1 % des rückständigen, auf 50 € nach unten abgerundeten Betrags zu zahlen (§ 24 Abs. 1 SGB IV ). Es besteht jedoch eine wichtige Ausnahmeregelung: Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte (§ 24 Abs. 2 SGB IV). Entscheidend ist somit, ob der Arbeitgeber glaubhaft machen kann, unverschuldet keine Kenntnis von der Beitragspflicht gehabt zu haben.
Bisher wurde diese Ausnahmeregelung von der Deutschen Rentenversicherung und den Spitzenorganisationen der Sozialversicherung so ausgelegt, dass bei grober Fahrlässigkeit nicht von „unverschuldeter Unkenntnis“ ausgegangen werden kann.
Dem hat das BSG in einem viel beachteten Urteil widersprochen und drei wichtige Grundsätze aufgestellt, die bei der Prüfung von Säumniszuschlägen beachtet werden sollten (BSG, Urteil v. 12.12.2018 - B 12 R 15/18 R):
Beispiel: Bedingter Vorsatz ist z. B. in folgenden Fällen gegeben:
Beispiel: Das Finanzamt berechnet gegenüber dem Arbeitgeber Beiträge aufgrund eines Lohnsteuerhaftungsbescheids nach. Dann kann der Arbeitgeber sich nicht darauf berufen, dass er nicht mit einer sozialversicherungsrechtlichen Nachzahlung habe rechnen müssen. Angesichts der engen Anknüpfung des Beitragsrechts der Sozialversicherung an das Steuerrecht (Lohnsteuer) muss ein Arbeitgeber wissen, dass aufgrund des Lohnsteuerhaftungsbescheids auch Beiträge zur Sozialversicherung zu zahlen sind bzw. es muss sich ihm zumindest aufdrängen, dass er sich hierzu beraten lassen muss.
Hinweis: Für die unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht trägt der Arbeitgeber die objektive Beweislast. Denn § 24 Abs. 2 SGB IV ist als Ausnahme von der Erhebung von Säumniszuschlägen ausgestaltet, so dass der Arbeitgeber die entlastenden Umstände darlegen muss, auf die er sich beruft (Beweislastverteilung der Ausnahmeregelung).
Es stellt sich bei der Festsetzung von Säumniszuschlägen in der Praxis die Frage, ob die Prüfungsbehörden mit der Annahme eines (bedingten) Vorsatzes gleichzeitig annehmen, dass
Praxishinweise
Ist die Schwelle des Eventualvorsatzes erreicht, sollte der Berater diese weiteren Punkte im Blick haben, da sich hierdurch das Prüfungsverfahren ausweiten kann. Wichtig zu sehen ist, dass die vorgenannte Beweislastverteilung der Ausnahmeregelung nicht im Strafverfahren gilt. Dort muss der Vorsatz durch die Ermittlungsbehörden nachgewiesen werden („im Zweifel für den Angeklagten“). Eine Festsetzung von Säumniszuschlägen führt damit nicht automatisch auch zu einer strafrechtlichen Verurteilung. Insbesondere besteht im Strafverfahren – anders als im sozialversicherungsrechtlichen Verfahren – keine Mitwirkungspflicht, so dass aus einer fehlenden Mitwirkung nicht zwangsläufig auf den Vorsatz geschlossen werden kann.
Arbeitgeber, die ihre Beitragsverantwortung auf einen Steuerberater übertragen und dessen Verhalten ohne zu hinterfragen hinnehmen, können im Einzelfall trotz des Delegierens schuldhaft handeln. Eine unverschuldete Unkenntnis soll dann nach einer Rechtsprechungsansicht fraglich sein (LSG Bayern, Urteil v. 6.4.2016 - L 5 KR 392/12). Diese Rechtsprechung steht jedoch im Widerspruch zur Rechtsprechung des BFH im Besteuerungsverfahren.
Im Einzelfall kann ein Billigkeitserlass der Säumniszuschläge in Betracht kommen. Hier besteht ein Zusammenhang mit einem etwaigen Strafverfahren wegen des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt gem. § 266a StGB: Ist ein Arbeitgeber erst einmal strafrechtlich verurteilt, wird der Rentenversicherungsträger dieses Urteil (oder den Strafbefehl) hinsichtlich des Vorsatzes zugrundelegen. Bei einer Einstellung des Strafverfahrens gegen Zahlung einer Geldauflage gem. § 153a StPO gilt weiterhin die Unschuldsvermutung. Trotzdem sollte in der Verteidigung praxisnah beachtet werden, dass Behörden durch die Geldauflage eine Indizwirkung zu Lasten des Arbeitgebers annehmen könnten.
Die Rechtsanwälte von LHP klären die Frage des Verschuldens und der etwaigen Auswirkungen auf Verjährung und Säumniszuschläge im Einzelfall. Die Praxis zeigt, dass jeder Fall seine Besonderheiten hat und daher zunächst der Sachverhalt besprochen werden sollte.
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