Fachanwälte rund um das Thema Steuern
StartAktuellesPrüfung durch die Rentenversicherung/Sozialversicherung: Vermeidung hoher Säumniszuschläge

Prüfung durch die Rentenversicherung/Sozialversicherung: Vermeidung hoher Säumniszuschläge

1. Ausnahme von Säumniszuschlägen bei unverschuldeter Unkenntnis

Säumniszuschläge fallen pro Jahr grundsätzlich in Höhe von 12% an. Ausnahme: Für die unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht trägt der Arbeitgeber die objektive Beweislast. Denn § 24 Abs. 2 SGB IV ist als Ausnahme von der Erhebung von Säumniszuschlägen ausgestaltet, so dass der Arbeitgeber die entlastenden Umstände darlegen muss, auf die er sich beruft (Beweislastverteilung der Ausnahmeregelung). 

2. Hinweis der Rechtsanwälte von LHP: Compliance-System

Im Einzelfall kann ein funktionierendes Compliance-System für das Sozialversicherungsrecht bei „Ausreißern“ unter Umständen den Verschuldensvorwurf ausschließen. Hierzu gehören auch standardisierte Schritte: Zur Vermeidung künftiger Nachforderungen von Beiträgen in Betriebsprüfungen ist auch eine Anfrage zur Feststellung, ob eine Person selbständig oder abhängig beschäftigt ist, ein hilfreiches Instrument. Gleichzeitig kann dem Arbeitgeber dann später kein Verschulden vorgeworfen werden (vorausgesetzt, er hat bei der Anfrage alle maßgeblichen Umstände mitgeteilt). Im Rahmen des "Statusfeststellungsverfahrens" kann ein Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus gestellt werden. Durchgeführt wird das Statusfeststellungsverfahren von der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund (www.deutsche-rentenversicherung.de).

3. Weiteres Risiko bei Hochrechnung des Bruttoentgelts

Ein Risiko für eine erhöhte Bemessungsgrundlage der Säumniszuschläge nach einer Prüfung ergibt sich im Einzelfall auch aus der gesetzlichen Möglichkeit einer Hochrechnung fiktiver Entgeltleistungen (§ 14 Abs. 2 SGB IV). In diesen Fällen sieht ein Landessozialgericht in seinem aktuellen Beschluss jedoch eine wichtige Einschränkung zugunsten des Arbeitgebers (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 22.1.2025, L 2 BA 31/24): Sieht der beitragspflichtige Arbeitgeber zwar die Möglichkeit einer Heranziehung zu Beiträgen für die tatsächlich erbrachten Entgeltleistungen, erkennt er aber nicht die Möglichkeit einer Festsetzung von darüber hinausgehenden Beitragszahlungen auf der Basis von erst im Rahmen einer Hochrechnung im Sinne des § 14 Abs. 2 SGB IV zu ermittelnden weiteren fiktiven Entgeltleistungen, dann sind Säumniszuschläge lediglich nach Maßgabe der für die tatsächlich geleisteten Entgeltzahlungen geschuldeten Beiträge festzusetzen (so das Gericht).

Es stellt sich bei der Festsetzung von Säumniszuschlägen in der Praxis die Frage, ob die Prüfungsbehörden mit der Annahme eines (bedingten) Vorsatzes gleichzeitig annehmen, dass 

  • die 30-jährige Verjährung angewendet werden kann,

  • eine Nettolohnvereinbarung unterstellt werden kann sowie

  • die Mitteilung an die Finanzkontrolle Schwarzarbeit erfolgen soll.

Hinweis der Rechtsanwälte von LHP: Ist die Schwelle des Eventualvorsatzes erreicht, sollte der Berater diese weiteren Punkte im Blick haben, da sich hierdurch das Prüfungsverfahren ausweiten kann. Wichtig zu sehen ist, dass die vorgenannte Beweislastverteilung der Ausnahmeregelung nicht im Strafverfahren gilt. Dort muss der Vorsatz durch die Ermittlungsbehörden nachgewiesen werden („im Zweifel für den Angeklagten“). Eine Festsetzung von Säumniszuschlägen führt damit nicht automatisch auch zu einer strafrechtlichen Verurteilung. Insbesondere besteht im Strafverfahren – anders als im sozialversicherungsrechtlichen Verfahren – keine Mitwirkungspflicht, so dass aus einer fehlenden Mitwirkung nicht zwangsläufig auf den Vorsatz geschlossen werden kann.

Arbeitgeber, die ihre Beitragsverantwortung auf einen Steuerberater übertragen und dessen Verhalten ohne zu hinterfragen hinnehmen, können im Einzelfall trotz des Delegierens schuldhaft handeln. Eine unverschuldete Unkenntnis soll dann nach einer Rechtsprechungsansicht fraglich sein (vgl. Landessozialgericht Bayern, Urteil v. 6.4.2016, Az: L 5 KR 392/12.). Eine genereller Verschuldensausschluss sei bei einer nicht hinterfragten Delegierung auf einen Steuerberater nicht möglich (Landessozialgericht NRW 9.10.2003,  Az: L 16 KR 223/02; LSG NRW 17.10.2008, Az: L 16 R 41/08). Diese Rechtsprechung steht jedoch im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Besteuerungsverfahren, soweit es dort um die Frage der Zurechnung von Vorsatz bei Hinterziehung geht.  Denn der BFH rechnet Verschulden in Fragen der Hinterziehung gem. § 370 AO nicht zu (BFH, Urteil v. 29.10.2013 - VIII R 27/10, BStBl II 2014, 295). Zu sehen ist allerdings, dass es vorliegend um eine Obliegenheit im Sozialversicherungsrecht geht und nicht generell um eine Straftat. Daher relativiert sich der Widerspruch.

4. Billigkeitserlass

Im Einzelfall kann ein Billigkeitserlass der Säumniszuschläge in Betracht kommen. Hier besteht ein Zusammenhang mit einem etwaigen Strafverfahren wegen des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt gem. § 266a StGB: Ist ein Arbeitgeber erst einmal strafrechtlich verurteilt, wird der Rentenversicherungsträger dieses Urteil (oder den Strafbefehl) hinsichtlich des Vorsatzes zugrunde legen. Bei einer Einstellung des Strafverfahrens gegen Zahlung einer bloßen Geldauflage gem. § 153a StPO gilt zwar weiterhin die strafprozessuale Unschuldsvermutung. Trotzdem sollte in der Verteidigung praxisnah beachtet werden, dass Behörden durch die Geldauflage eine Indizwirkung zu Lasten des Arbeitgebers annehmen könnten. 

Die Möglichkeiten zur Verhinderung und Minderung von Säumniszuschlägen können nur im Einzelfall geprüft werden. Die Rechtsanwälte von LHP empfehlen hier die zeitnahe Besprechung möglichst schon im Rahmen der laufenden Prüfung. Je nach Einzelfall können sich Anträge auf Billigkeitserlass, eine Besprechung mit der Behörde oder eine schriftliche Stellungnahme anbieten.
 

LHP Tax GmbH und LHP Legal GmbH
Köln

An der Pauluskirche 3-5, 50677 Köln,
Telefon: +49 221 39 09 770

Niederlassung Zürich

Tödistrasse 53, CH-8027 Zürich,
Telefon: +41 44 212 3535

Auszeichnungen & Zertifikate als Steuerkanzlei - LHP Rechtsanwälte