Die Berichtigung von umsatzsteuerlichen Erklärungen kann im Einzelfall zahlreiche verfahrensrechtliche Fragen auslösen. Hierzu gehört auch die Frage, ob eine Berichtigung im Ergebnis einer bußgeld- oder strafbefreienden Selbstanzeige gleichkommt.
Je nach Situation kann es hier geboten sein, die involvierten Entscheidungsträger einzubeziehen (vgl. Rechtsanwalt Dirk Beyer, NWB 2016, S. 3041). Darüber hinaus ergibt sich in der Praxis oftmals die Frage, ob neben Umsatzsteuer-Jahreserklärungen auch die entsprechenden Umsatzsteuer-Voranmeldungen zu berichtigen sind und ob sich insoweit auch Wechselwirkungen ergeben. Rechtsanwalt / Steuerberater Ingo Heuel und Rechtsanwalt Dirk Beyer haben hierzu in einer Fachzeitschrift umfangreich Praxisfälle dargestellt (NWB – BBK 2015 S. 740).
Ein aktuelles Urteil des BGH vom 13.07.2017 gibt Anlass zu der Überlegung, ob die Berichtigung einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung gleichzeitig als Berichtigung der entsprechenden Umsatzsteuer-Voranmeldungen gelten könnte. Hierüber musste der BGH nicht entscheiden. Der BGH hat ausgeführt, dass eine unrichtige Umsatzsteuer-Voranmeldung und eine unrichtige Umsatzsteuer-Jahreserklärung in Gesetzeskonkurrenz in Form der mitbestraften Vortat stehen (Aktenzeichen: 1 StR 536/16). Dies bedeutet, dass der BGH die Umsatzsteuer-Voranmeldungen als Durchgangsstadium für die Umsatzsteuer-Jahreserklärung ansieht und damit die Voranmeldungen lediglich als mitbestrafte Vortaten wertet. Maßgeblich hat der Strafrichter somit auf die Jahres-Erklärungen abzustellen und die Strafe hieran zu orientieren. Die Überlegung des BGH ist, dass in den unrichtigen Umsatzsteuer-Jahres Erklärungen das Schwergewicht des Unrechts liege.
Hieraus ergibt sich für die Praxis die Frage, ob aus dieser BGH-Sichtweise Argumentationspotenzial bei der Abgabe einer umsatzsteuerlichen Nacherklärung / Selbstanzeige gezogen werden kann. Oftmals geben Unternehmen lediglich Nacherklärungen für die Umsatzsteuer-Jahreserklärung ab und berichtigen nicht gleichzeitig die entsprechenden Umsatzsteuer-Voranmeldungen. Aus Sicht der Unternehmen liegt dieser Gedanke auch nahe, weil die Umsatzsteuer-Voranmeldungen nur einen vorläufigen Charakter haben und verfahrensrechtlich mit Abgabe der Umsatzsteuer-Jahres-Erklärung erledigt sind. Dies ist allerdings nur die steuerrechtliche Sichtweise. Im Strafrecht (Selbstanzeige) ist nicht abgesichert, ob sich eine Selbstanzeige allein auf die Jahres-Erklärung oder gleichzeitig auch auf die entsprechenden Voranmeldungen beziehen muss, damit die Selbstanzeige hinsichtlich der Jahres-Erklärung vollständig ist. Hierzu gibt es zwar eine ältere BGH-Entscheidung, die aber nicht mehr verlässlich zugrunde gelegt werden kann. In diesem Punkt könnte ein Verteidiger nun auf das Urteil des BGH vom 13.07.2017 verweisen und geltend machen, dass die Voranmeldungen nach Ansicht des BGH nur ein Durchgangsstadium sind und der Schwerpunkt des Unrechts in der Jahres-Erklärung liegt. Ob ein Gericht dies jedoch auch so sieht, bleibt abzuwarten. Denn der BGH hat sich nicht ausdrücklich dazu geäußert, ob diese Argumentation im Rahmen einer Selbstanzeige zulässig ist.
Hinweis der Steuerstrafverteidiger von LHP: Unternehmen bzw. Geschäftsführer, die sicher gehen wollen, kommen im Moment nicht umhin, neben der Jahres-Erklärung auch die entsprechenden Voranmeldungen zu berichtigen. Dies mag aus Sicht mancher Geschäftsführer bzw. Berater übertrieben erscheinen (was auch verständlich ist), jedoch hat der Gesetzgeber keine ausdrückliche Regelung für den Umfang der Selbstanzeige gegeben. Hier droht das Risiko, dass jeder Staatsanwalt oder Richter in diesem Punkt seine eigene Ansicht vertritt.
Die Praxis zeigt, dass die Berichtigung von umsatzsteuerlichen Erklärungen gem. § 153 AO und die Prüfung, ob gleichzeitig Selbstanzeigen gem. §§ 371, 378 Abs. 3 AO abgegeben werden sollen, eine zügige und umfassende Koordinierung erfordert (Rechtsanwalt Dirk Beyer, NWB 2015, S. 769). Nicht selten müssen auch weitere Funktionsträger von anderen Unternehmen eines Konzerns einbezogen werden. Denn die Vollständigkeit einer Selbstanzeige verlangt, dass die jeweilige Person alle umsatzsteuerlichen Sachverhalte (unabhängig davon, in welchem Unternehmen diese unzutreffend erklärt wurden) richtig stellt.
Beachten Sie: Selbstanzeigen sind personenbezogen und Berichtigungserklärungen beziehen sich demgegenüber auf den Steuerpflichtigen (z.B. GmbH, AG). Diese Unterscheidung muss bei der Vorbereitung entsprechender Erklärungen unbedingt sorgfältig beachtet werden.
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