Im Zuge der jüngst gekauften Steuer-CDs wird uns als Rechtsanwalt für Steuerrecht und Steuerstrafrecht in Köln im Rahmen der Beratungsgespräche immer die Frage nach der Verjährung der Steuerhinterziehung gestellt. In den Medien wird oftmals lediglich pauschal von einer 5 oder 10-jährigen Verjährungsfrist gesprochen, wobei nicht immer sofort klar ist, welche Art von Frist hiermit gemeint ist und wann diese beginnt. Richtigerweise ist die strafrechtliche Verjährung der Steuerhinterziehung (sogenannte Verfolgungsverjährung) von der steuerlichen Verjährung (sogenannte Festsetzungsverjährung) zu unterscheiden.
Wichtig ist somit, dass zwei unterschiedliche Fristenregelungen auseinander zu halten sind:
Tipps zur Verjährung bei Steuerhinterziehung: Die zutreffende Berechnung der (strafrechtlichen) Verfolgungsverjährung ist vor allem auch wichtig für die Vollständigkeit einer Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung. Denn nur eine vollständige Selbstanzeige ist – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen – strafbefreiend. Die Vollständigkeit setzt voraus, dass eine Berichtigung für sämtliche strafrechtlich noch nicht verjährten Jahre erfolgt. Die besondere Bedeutung der (steuerlichen) Festsetzungsverjährung ergibt sich daraus, dass diese das steuerliche Nachzahlungsrisiko für den Mandanten festlegt. Je weiter das Finanzamt in die Vergangenheit durch geänderte Steuerbescheide zurückgreifen kann, desto höher wird die nachzuzahlende Steuer, wobei sich insbesondere die Nachzahlungszinsen (6% pro Jahr) für Altjahre bemerkbar machen.
Der Tatbestand der Steuerhinterziehung i.S.d. § 370 Abs. 1 AO ist erfüllt, wenn gegenüber den Finanzbehörden pflichtwidrig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht werden, Tatsachen verschwiegen werden oder die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlassen wird.
Bei der Berechnung der Strafverfolgungsverjährung ist zwischen Fristdauer, Fristbeginn und Unterbrechung (Neubeginn) zu unterscheiden.
Die strafrechtliche Verjährungsfrist für den Grundfall einer Steuerhinterziehung beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 Strafgesetzbuch).
Strafverfolgungsverjährung in besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 2, 376 AO):
Der Gesetzgeber hat Ende 2008 eine verschärfte Regelung für die Strafverfolgungsverjährung in § 376 AO eingeführt und diese zum Stichtag 1.7.2020 nochmals verschärft. Denn liegt ein sogenannter besonders schwerer Fall einer Steuerhinterziehung vor, so verlängert sich die Dauer der Strafverfolgungsverjährung von 5 auf nun sogar 15 Jahre. Ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung liegt z.B. dann vor, wenn die Steuerhinterziehung ein erhebliches Ausmaß erreicht oder ein Amtsträger seine Befugnis oder Stellung zum Zweck der Steuerhinterziehung missbraucht. Als Richtwert für die Erheblichkeitsgrenze wird nach der neuen Rechtsprechung des BGH (1 StR 373/15) einheitlich ein Steuerbetrag von 50.000 € angenommen. Der BGH unterscheidet seither nicht mehr nach der Art des manipulativen Verhaltens, sondern knüpft einzig an der Höhe der verkürzten Steuer an.
Wichtig ist insofern, dass es für vorgenannte Werte auf die Steuer pro Besteuerungszeitraum (in der Regel das Kalenderjahr), nicht jedoch auf die Einnahmen (Umsätze) ankommt.
Praxishinweis: Die Strafverfolgungsfrist kann im Einzelfall verlängert werden,, indem beispielsweise vor Ablauf der strafrechtlichen Verjährungsfrist ein Durchsuchungsbeschluss richterlich angeordnet wird (vgl. zur Unterbrechung der Verjährung unten). Hier setzt nur die absolute Verjährung eine Grenze. Diese kann im Einzelfall nach aktueller Rechtslage bis zu 42,5 Jahren betragen. Zu den gesetzgeberischen Neuregelungen in 2020 siehe unten.
Die Frist für die Strafverfolgungsverjährung beginnt mit der Beendigung der Steuerhinterziehung im strafrechtlichen Sinn. Hierbei ist für die Beurteilung der Beendigung eine sehr differenzierte Betrachtung notwendig, wobei auf die jeweilige Steuerart abzustellen ist.
Bei der Hinterziehung der Einkommensteuer ist die Hinterziehung vollendet und beendet, sobald der Einkommensteuerbescheid vorliegt. Beispiel: Wer also den Steuerbescheid für 2011 am 1. Oktober 2012 erhalten hat, kann nach Ablauf von fünf Jahren ab diesem Zeitpunkt (also am 1. Oktober 2017) nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden.
Bei der Erbschaftsteuer ist der Fristbeginn im Einzelnen umstritten. In der Praxis wird häufig auf den Zeitpunkt der Anzeigepflicht des Erben abgestellt. Dies bedeutet einen Zeitpunkt drei Monate nach dem Zeitpunkt des Erwerbs. Beispiel: Einen Erbfall aufgrund eines Todes des Erblassers am 01.10.2012 muss der Erbe spätestens am 31.12.2012 gegenüber dem Erbschaftsteuerfinanzamt anzeigen. Ab dann beginnt die Verfolgungsverjährung (nach anderer Ansicht erst 3 weitere Monate später).
Auch im Rahmen der Schenkungsteuer ist der Fristbeginn umstritten. Nach einer unseres Erachtens vertretbaren Rechtsansicht beginnt hier der Lauf der strafrechtlichen Verjährungsfrist drei Monate ab dem Schenkungstatbestand, also beispielsweise drei Monate nach Zahlung des Geldgeschenks des Großvaters an den Enkel.
Wenn bestimmte strafprozessuale Maßnahmen erfolgt sind, beginnt die oben genannte Frist erneut. Das Gesetz sieht eine Reihe von derartigen Unterbrechungstatbeständen vor, die zu einem erneuten Fristbeginn führen:
Überblick über die Neuregelung der strafrechtlichen Verjährung seit 2020
Praxishinweishinweis: Bei der Abgabe von Selbstanzeigen sollte gesehen werden, dass sich hierdurch der notwendige Berichtigungsverbund ausweiten kann (Vollständigkeitsgebot gem. § 371 Abs. 1 AO). Ungeklärt ist, ob die steuerliche Festsetzungsverjährung eine äußerste Grenze für den Berichtigungsverbund bei der Selbstanzeige darstellt. Hierdurch könnte sich eine zeitlich günstige Einschränkung gegenüber der im Einzelfall deutlich längeren strafrechtlichen Verjährung ergeben. Diese zeitliche Beschränkung sollte vorsorglich jedoch nicht bei der Abfassung einer Selbstanzeige angewandt werden, wenn der Mandant die sicherste Lösung bevorzugt. Bisher hat kein Gericht festgestellt, dass eine Selbstanzeige allein für die steuerlich unverjährten Jahre gleichzeitig eine strafbefreiende Wirkung für strafrechtlich unverjährte frühere Jahre hat (Problem des zeitlichen Überhangs). In der Verteidigungssituation hingegen ist eine solche Argumentation mit der zeitlichen Begrenzung des Berichtigungsverbundes auf die steuerliche Festsetzungsverjährung hingegen hörenswert. Mangels gegenteiliger Rechtsprechung ist diese auch mit dem Normzweck der Selbstanzeige gut begründbare Ansicht ein guter Verteidigungsaspekt.
Stichtag für die Neuregelung
Es ist rechtsstaatlich bedenklich, dass die erheblichen Änderungen der Verjährung ohne eine ausdrückliche gesetzliche Stichtagsregelung eingeführt wurden. Eine solche Regelung hätte jedoch wegen des Rückwirkungsverbots nahegelegen. Daher greift der Hinweis der Gesetzesbegründung auf frühere Rechtsprechung, die keinen Vertrauensschutz verlangt, zu kurz. Nach der Begründung des Gesetzgebers sollen die Neuregelungen für alle zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens am 1.7.2020 bzw. 29.12.2020 noch nicht verjährten Taten gelten. Diese bloße Absichtserklärung dient nicht der Rechtssicherheit.
Die Regelung der Festsetzungsverjährung bestimmt, wie lange das Finanzamt zur Festsetzung von Steuernachzahlungen durch den Erlass eines Steuerbescheides berechtigt ist. Nach Ablauf dieser Festsetzungsfrist dürfen für das betreffende Kalenderjahr keine Steuerbescheide mehr erlassen oder geändert werden.
Der Gesetzgeber unterscheidet bei der Dauer der Festsetzungsfrist nach dem Grundfall (4 Jahre), der leichtfertigen Steuerverkürzung (5 Jahre) und der Verlängerung auf 10 Jahre bei Vorliegen einer Steuerhinterziehung (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 AO).
Praxishinweis des Steueranwalts aus Köln: Für die Möglichkeit des Finanzamtes, auf ältere Jahre durch geänderte Steuerbescheide zurückzugreifen, ist es entscheidend, ob die zu niedrige oder verspätete Steuerfestsetzung schuldhaft bewirkt wurde oder nicht. Bei grober Fahrlässigkeit (Leichtfertigkeit) und erst recht bei Vorsatz drohen erhebliche Steuernachzahlungen, wobei insbesondere auch die Zinsen die Liquidität deutlich belasten (6% pro Jahr). In entsprechenden Modellrechnungen in den Medien werden die Zinsen oftmals nicht erwähnt. So muss beispielsweise ein Hinterziehungsbetrag aus einem Jahr, welches mehr als 10 Jahre zurückliegt, mit 60% verzinst werden. Allerdings trägt das Finanzamt für den Nachweis der groben Fahrlässigkeit und des Vorsatzes die so genannte Feststellungslast (umgangssprachlich auch Beweislast genannt). In den Fällen eines Auslandkontos ist hinsichtlich der Kapitaleinkünfte jedoch grundsätzlich von Vorsatz auszugehen. Andernfalls besondere Ausnahmefälle (wie beispielsweise nachgewiesene Unkenntnis von einer Kapitalanlage im Ausland oder Unkenntnis von fiktiven Erträgen aus sog. schwarzen/intransparenten Fonds) schließen den Vorsatz u.U. aus.
Die Festsetzungsverjährung beginnt grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist. Sofern eine Steuererklärung eingereicht werden muss, verschiebt sich der Fristbeginn gemäß § 170 Abs. 2 AO bis zum Ablauf des Jahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird. Beispiel: Wurde durch den Besitzer eines Auslandskontos die insoweit unvollständige Einkommensteuererklärung für das Jahr 1999 erst im Jahr 2002 beim Finanzamt eingereicht, so beginnt die Festsetzungsverjährungsfrist für das Jahr 1999 erst mit Ablauf des Jahres 2002 und beträgt 10 Jahre. Das Finanzamt hat somit bis zum Ablauf des Jahres 2012 die Möglichkeit, einen Änderungsbescheid für das Jahr 1999 erlassen. Wurde z.B. die unvollständige Einkommensteuererklärung für 2001 im Jahr 2003 eingereicht, dann beginnt die Frist mit Ablauf des Jahres 2003 und endet mit Ablauf des Jahres 2013.
Im Falle der Nichtabgabe einer Steuererklärung beginnt die Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 2 AO spätestens mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, indem die Steuer entstanden ist. Beispiel: Hat der Besitzer eines Auslandskontos für 1999 keine Steuererklärung eingereicht, so beginnt die Frist mit Ablauf des Jahres 2002 und endet mit Ablauf des Jahres 2012.
Die so genannte Ablaufhemmung bewirkt, dass der reguläre Fristablauf nicht eintritt, sondern die Festsetzungsfrist weiterläuft. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn hinsichtlich eines Besteuerungszeitraumes ein Einspruch eingelegt worden ist. Dann läuft die Festsetzungsfrist für dieses Jahr frühestens dann ab, wenn über diesen Einspruch rechtskräftig entschieden worden ist.
Praxishinweis zur Verjährung bei Steuerhinterziehung: Es gibt eine Vielzahl von so genannten Ablaufhemmungen, die bewirken, dass die reguläre Festsetzungsfrist nicht abläuft, sondern eine deutliche Verlängerung der Festsetzungsverjährung eintritt. Ein solcher Umstand kann beispielsweise auch die Anordnung einer Betriebsprüfung sein. Die Einzelfälle sind jedoch zu unterschiedlich, um diese hier in der gebotenen Kürze darlegen zu können. Hier bietet sich eine Beratung im Einzelfall an, damit der Mandant auch insoweit Klarheit erhält.
Das Finanzamt kann bei einer Steuerhinterziehung sogenannte Hinterziehungszinsen gemäß § 235 Abs. 1 AO unabhängig davon verlangen, ob eine strafrechtliche Verurteilung vorliegt oder nicht. Bemessungsgrundlage für diese Zinsen (6% pro Jahr) ist die Differenz zwischen der ursprünglich festgesetzten zu niedrigen Steuerschuld und der nachträglich festgesetzten höheren Steuerschuld, also der Steuerbetrag, der hinterzogen wurde.
Zinsbeginn: Der Zinslauf beginnt mit der Zustellung des (durch eine zu niedrige Steuerfestsetzung) fehlerhaften Steuerbescheides.
Die Hinterziehungszinsen führen jedoch gegenüber der regulären Verzinsungsregelung zu keiner Doppelverzinsung. Insofern erfolgt eine Anrechnung.
Die oben genannten Regelungen zur strafrechtlichen Verfolgungsverjährung und steuerlichen Festsetzungsverjährung sind wichtige Aspekte für die Frage, ob eine Selbstanzeige sinnvoll ist oder nicht.
Wenn eine Steuerstraftat nach oben genannten Regelungen bereits strafrechtlich verjährt ist, so ist eine Selbstanzeige strafrechtlich sinnlos. Denn die Strafverfolgung kann bereits aufgrund der eingetretenen Strafverfolgungsverjährung nicht mehr drohen.
Da die Selbstanzeige nur wirksam ist, wenn sie vollständig ist, kein Sperrgrund im Übrigen besteht und die Steuer vollständig nachgezahlt wird, muss in einem ersten Schritt geprüft werden, welche Besteuerungszeiträume strafrechtlich noch nicht verfolgungsverjährt sind. Diese Besteuerungszeiträume müssen in der Selbstanzeige umfassend nacherklärt werden (Gebot der Vollständigkeit).
Weiterhin muss die hinreichende Liquidität für die fristgerechte Steuernachzahlung sichergestellt sein. Hierbei ist für die maßgeblichen Jahre die steuerliche Festsetzungsverjährung zu beachten. Kann die sich aufgrund der Änderungsbescheide ergebende Steuer nicht bezahlt werden, so ist die Selbstanzeige unwirksam. Die Selbstanzeige kann dann allenfalls noch strafmildernde Wirkung haben.
Praxishinweis zu Hinterziehungszinsen: Die fristgerechte Nachzahlung der Zinsen ist - anders als die Nachzahlung der hinterzogenen Steuern - keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Selbstanzeige.
Der Vollständigkeit halber sei hier noch auf den Begriff der Zahlungsverjährung hingewiesen. Diese Frist betrifft die Frage, wie lange das Finanzamt im Rahmen der Vollstreckung eine festgesetzte Steuer gegenüber dem Betroffenen (z. B. durch Pfändung) geltend machen kann. Diese Frist beträgt grundsätzlich fünf Jahre und beginnt mit der Fälligkeit. Für die Beratung im Rahmen der Selbstanzeige hat diese Regelung zur Zahlungsverjährung jedoch keine Bedeutung.
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