Wird durch ein Unternehmen oder einen Verein eine Berichtigungserklärung abgegeben, so stellt sich in der Praxis die Frage, ob diese Erklärung auch im Namen von den involvierten Organen und Mitarbeitern geschehen soll. Für die Beantwortung dieser Frage sollte gesehen werden, dass zwischen einer Selbstanzeige gem. § 371, 378 Abs. 3 AO und einer Berichtigungserklärung gem. § 153 AO ein grundlegender Unterschied besteht:
Dies bedeutet: Sollte der nachzuerklärende Sachverhalt eine Steuerhinterziehung betreffen, wäre den Tatbeteiligten mit einer bloßen unternehmensbezogenen Nacherklärung im Namen des Unternehmens (z.B. einer GmbH oder AG) nicht hinreichend geholfen. Hierbei würde es sich nicht gleichzeitig um eine Selbstanzeige der Tatbeteiligten (z.B. GmbH-Geschäftsführer oder AG-Vorstand) handeln.
Hinweis von LHP Rechtsanwälte Steuerberater: Darüber hinaus ist für die Selbstanzeige das Vollständigkeitsgebot zu beachten. Dies kann dazu führen, dass eine Person, die z.B. Geschäftsführerzweier GmbHs ist, gleichzeitig die Umsatzsteuer-Erklärungen beider GmbHs berichtigen muss. Hieran ist die Personenbezogenheit der Selbstanzeige gut zu erkennen. Denn aus Sicht des berichtigenden Unternehmens ist es für die konkrete Berichtigungserklärung gem. § 153 AO unerheblich, ob gleichzeitig noch eine andere GmbH ihre Umsatzsteuer-Erklärungen berichtigt. In der Praxis erfolgen Selbstanzeige und Berichtigungserklärung oftmals in einem Schreiben. Hierbei ist es die Kunst, den „Ball so flach wie möglich zu halten“ und keine „schlafenden Hunde zu wecken“.
Nachfolgend möchten wir einen ersten Überblick über den Personenkreis bieten, der im Einzelfall vom Schutzschirm einer Selbstanzeige abgedeckt werden sollte:
Hier soll unterstellt werden, dass der Geschäftsführer X sowohl für die A-GmbH als auch für die B-GmbH vorsätzlich unrichtige Erklärungen zur Umsatzsteuer 2015 abgegeben hat. Dies bedeutet: Er muss im Rahmen einer Selbstanzeige gem. § 371 AO gleichzeitig die Erklärungen für beide GmbHs berichtigen. Eine nur auf die A-GmbH bezogene Berichtigungserklärung gem. § 153 AO wäre in diesem Fall für X eine unvollständige und damit nicht strafbefreiende Selbstanzeige.
Eine AG hatte Sachbezüge der Vorstände in Form von Unternehmensaktien möglicherweise erheblich zu niedrig bewertet, so dass die elektronischen Lohnsteueranmeldungen des Unternehmens ggf. deutlich zu niedrig gewesen waren. Wird nun nur eine Berichtigungserklärung durch die AG abgegeben, so besteht das Risiko der Einleitung von Steuerstrafverfahren gegen die Vorstandsmitglieder und sonstigen Verantwortliche. In der Praxis leitet die Steuerfahndung ein Ermittlungsverfahren oft zunächst gegen sämtliche Vorstände ein, da hierbei häufig nicht hinreichend differenziert wird. Die Konsequenzen können erheblich sein (z. B. Hausdurchsuchungen im privaten Bereich).
Hinweis von LHP Rechtsanwälte Steuerberater: Eine pauschale Einleitung gegen sämtliche Vorstandsmitglieder ist unserer Ansicht nach unverhältnismäßig und verstößt gegen den strafrechtlichen Grundsatz der persönlichen Schuld. Gegen Vorstandsmitglieder und sonstige Verantwortliche eines Unternehmens (z. B. Leiter Rechnungswesen) darf daher nur dann ein Strafverfahren eingeleitet werden, wenn
Um jedoch diesem Praxisrisiko einer flächendeckenden Verfahrenseinleitung zu begegnen, sollte erwogen werden, die Berichtigungserklärung vorsorglich als Selbstanzeige aller in Betracht kommenden Vorstände und sonstiger Verantwortlicher (z.B. Leiter der Buchhaltung) zu formulieren.
Der Leiter der Buchhaltung (L) gibt als Angestellter der A-GmbH elektronisch eine Jahreserklärung zur Umsatzsteuer 2017 ab. In der Erklärung gab er wissentlich 60.000 € Umsatz zu wenig an. Diese Erklärung wurde durch seinen Mitarbeiter M vorbereitet und dieser hat insofern – hier einmal unterstellt – leichtfertig den Fehler verursacht.
Insbesondere in den Fällen einer Arbeitsteilung stellt sich die Frage nach der Verantwortlichkeit. Die Rechtsprechung stellt hier auf die Rollenverteilung ab. Für das Vorliegen einer Mittäterschaft oder Beihilfe ist es nicht zwingend notwendig, dass der Beschuldigte z.B. die „Beute“ selbst erlangt hat. Die Schwelle kann im Einzelfall viel niedriger sein. Für das Vorliegen einer Täterschaft oder Mittäterschaft durch positives Tun ist es allerdings erforderlich, dass der Beschuldigte Angaben gegenüber dem Finanzamt macht. Unstreitig wird daher der Tatbestand der §§ 370, 378 AO erfüllt, wenn der Steuerpflichtige selbst Angaben gegenüber dem Finanzamt macht, weil er Erklärungen abgibt oder sonstige Anträge stellt. Umstritten ist jedoch, ob eine Person Täter i. S. der §§ 370, 378 AO sein kann, wenn sie die Erklärung nur vorbereitet hat. Von diesem dogmatischen Streit hängt ab, ob eine vorbereitende Hilfsperson nur Gehilfe oder gar Täter (Mittäter) sein kann. Gegen das Vorliegen einer Täterschaft spricht jedoch, dass diese Person keine Angaben gegenüber dem Finanzamt macht, wie es der Wortlaut der §§ 370 Abs. 1 Nr. 1, 378 AO voraussetzt. Daher können Mitarbeiter eines Unternehmens (aber auch ein Berater, sonstige Mitarbeiter einer Steuerberatungsgesellschaft oder sonstige Dritte) nicht den Tatbestand des § 378 AO verwirklichen, wenn diese Personen die unrichtige Erklärung nur vorbereitet und nicht selbst eine Erklärung gegenüber dem Finanzamt abgegeben haben.
Hinweis von LHP Rechtsanwälte Steuerberater: Diese Sichtweise ist jedoch umstritten. Der IV. Senat des BFH hatte in seinem Urteil vom 19.12.2002 noch die Gegenansicht vertreten (IV R 37/01). Bei Abgabe einer Selbstanzeige sollte daher überlegt werden, ob der sichere Weg gegangen und diese strengere Sichtweise vorsorglich zugrunde gelegt wird. Allerdings geht der BFH mit Urteil vom 20.10.2013 davon aus, dass ein Berater, welcher selbst keine Erklärung gegenüber dem Finanzamt abgibt, nicht Täter durch aktives Tun i. S. der §§ 370 Abs. 1 Nr. 1, 378 AO sein kann (VIII R 27/10). Dies muss wohl konsequenterweise für alle Personen, also z. B. auch für Mitarbeiter in Unternehmen, gelten. In der Justizpraxis ist diese Sichtweise aber noch nicht durchgehend angekommen.
Ein Mitarbeiter, der keine Entscheidungsherrschaft hinsichtlich der Abgabe der Erklärung hat, kann daher nicht als Täter angesehen werden, der Angaben i. S. der §§ 370, 378 AO macht. Daher hat Mitarbeiter M im obigen Beispiel 3 mangels Entscheidungsgewalt keine Erklärungsherrschaft und daher weder den Tatbestand des § 378 AO noch den des § 370 AO erfüllt. Sollte der Leiter L Entscheidungsherrschaft besitzen, dürfte er Angaben i. S. der §§ 370, 378 AO gemacht haben. Wenn ein Vorstandsmitglied Kenntnis hat, dürfte dieser als Täter zu werten sein und der Leiter der Buchhaltung wäre dann ggf. nur Gehilfe. Auch hier entscheidet der Einzelfall. Erhält L jedoch einen Bonus, der wirtschaftlich von der Höhe der Steuer beeinflusst wird, könnte sein finanzielles Interesse für seine Mittäterschaft sprechen. Ein Indiz für die Mittäterschaft des L könnte sich auch ergeben, wenn er seine berufliche Stellung sichern will. Hat L hingegen keine Entscheidungsgewalt, weil sich z.B. der Vorstand die Zustimmung vorbehalten hat, kann L Gehilfe zur Haupttat des Vorstandes sein.
Der Leiter der Buchhaltung (L) hat bei der elektronischen Abgabe einer Umsatzsteuer-Voranmeldung nur leichtfertig gehandelt. Der Vorstand hat sich die Zustimmung vor Abgabe jeder Erklärung vorbehalten. In dem Fall dürfte L wohl keine Entscheidungsherrschaft haben und kann daher bereits deshalb nicht Täter i. S. der §§ 370, 378 AO sein. Diese Ansicht ist allerdings eher für die Verteidigung und nicht für die Planung einer Selbstanzeige geeignet. Denn die Rechtsprechung hat sich nicht abschließend geäußert, ob ein Vorbehalt des Vorstandes die Täterschaft des Leiters der Buchhaltung ausschließt. Eine etwaige Selbstanzeige wegen leichtfertiger Hinterziehung (§ 378 Abs. 3 AO) sollte vorsorglich auch durch L erfolgen. Mangels Vorsatzes scheidet Beihilfe durch L aus. Ob der Vorstand eine Selbstanzeige abgeben muss, hängt vom Einzelfall ab. Hat er – wie hier unterstellt - weder vorsätzlich noch leichtfertig gehandelt, ist der Schutzschirm einer Selbstanzeige für ihn nicht notwendig.
Da im Unternehmensbereich die Erklärungen hauptsächlich per EDV an das Finanzamt übermittelt werden, sollten Besonderheiten in diesem Bereich beachtet werden. Viele Urteile betreffen hingegen noch Steuererklärungen in Papierform. Es ist bisher durch die Rechtsprechung nicht geklärt, ob sich die Rollenverteilung und die strafrechtliche Wertung (wer ist Täter? Wer ist Gehilfe?) bei elektronischen Erklärungen ändert.
Da bei elektronischen Erklärungen die Unterschrift fehlt, ist nach der Theorie der Erklärungsherrschaft zu fragen, wer die Erklärungsherrschaft hat und als der Erklärende gewertet wird. Hier sollte der jeweilige Einzelfall gesehen werden.
Hinweis von LHP Rechtsanwälte Steuerberater: Soll eine Steuererklärung im Unternehmensbereich berichtigt werden, so sollte auch geprüft werden, ob in diesem Fall gleichzeitig eine Selbstanzeige geboten ist. In einem zweiten Schritt stellt sich zudem die Frage, welche Personen in den Schutzschirm dieser Selbstanzeige aufgenommen werden sollen. Die passende Formulierung einer entsprechenden Erklärung ist trotz der rechtlichen Verschärfungen im Bereich der Selbstanzeige bei einem professionellen Management in der Regel möglich. Die Voraussetzungen und Sperrgründe einer Selbstanzeige sollten im Einzelfall besprochen werden. Oftmals sind mehrere Verantwortliche eines Unternehmens betroffen, so dass eine Koordinierung geboten ist. Das Ziel ist, die Betroffenen „in einem Boot“ zu halten solange die Interessen übereinstimmen. Die Praxis zeigt, dass einzelne Betroffene bei einer fehlenden Koordinierung aus Unsicherheit unüberlegte schnelle Schritte unternehmen, die letztlichem niemandem helfen. Die Nacherklärung erfordert daher eine gute und schnelle Vorbereitung sowie eine Einbindung der verschiedenen Personen.





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