Die zahleichen umsatzsteuerlichen Problemfelder im Bereich der Arzneimittelvorsorge sind immer wieder Gegenstand der höchstrichterlichen BFH-Rechtsprechung und unterliegen einem stetigen Wandel. Die in diesem Zusammenhang immer wieder auftretenden umsatzsteuerlichen Fragestellungen sollen im Folgenden überblicksartig dargestellt werden.
Immer wieder bildet die Steuerbefreiungsvorschrift nach § 4 Nr. 14 UStG den Mittelpunkt von Auseinandersetzungen zwischen der Finanzverwaltung und den Unternehmern in der Gesundheitsbranche (z. B. Arztpraxen).
Nach dieser Vorschrift sind insbesondere ärztliche Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden, von der Umsatzsteuer befreit. Freilich sind die auf den ersten Blick einfach anmutenden Voraussetzungen zur Anwendung der Steuerbefreiungsvorschrift im Detail komplex. Maßgeblich ist insbesondere, ob die in Rede stehende Heilbehandlung medizinisch indiziert ist oder eher der Bereich Health Care betroffen ist. Aufgrund der stetigen Weiterentwicklungen im Bereich der Behandlungsmethoden kommt es in der Steuerberatungspraxis insoweit immer wieder zu Grenzfällen. Hier hat sich eine umfangreiche Einzelfallkasuistik herausgebildet.
Beispiel (umsatzsteuerfrei):
Gegenbeispiele (nicht umsatzsteuerfrei):
Insbesondere auch in den Bereichen der ästhetisch-plastischen Chirurgie stellt sich immer wieder die Frage nach der medizinischen Indikation und damit der Anwendbarkeit der Steuerbefreiungsvorschrift nach § 4 Nr. 14 Buchst. a) UStG. In diesem Spannungsfeld kann lediglich ein kosmetischer Eingriff „aufgrund einer Krankheit“ der Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG unterliegen. Nach Auffassung des BFH (BFH, Urt. v. 19.06.2013 – V S 20/13, MwStR 2013, 702) kann eine psychische (insoweit für § 4 Nr. 14 UStG ausreichende) Indikation nur durch die Diagnose von Psychologen, Psychotherapeuten, Psychiatern oder Neurologen als entsprechendem Fachpersonal belegt werden. Dies sollte der behandelnde Chirurg berücksichtigen und im Zweifelsfalle ein psychologisches Gutachten einholen lassen.
Auch bei der Frage, ob gutachterliche Tätigkeiten der Umsatzsteuerbefreiung unterliegen, ist eine differenzierte Betrachtungsweise geboten. Umsatzsteuerpflichtig sind nach Auffassung der Finanzverwaltung beispielsweise Alkohol- und Drogengutachten zur Untersuchung der Fahrtüchtigkeit sowie Gutachten zur Klärung, ob die Therapiekosten von der gesetzlichen Krankenkasse getragen werden. Umsatzsteuerfrei ist dagegen zum Beispiel die körperliche Untersuchung von Personen in Polizeigewahrsam zur Überprüfung der Verwahrfähigkeit in der Zelle.
Auch die umsatzsteuerliche Handhabung von ärztlichen Leistungen im Rahmen von sogenannten „Care-Plus-Verträgen“ hat die Finanzgerichte in jüngerer Vergangenheit verstärkt beschäftigt. Bei den Care-Plus-Verträgen schließen Arztpraxen bzw. Medizinische Versorgungszentren (MVZ) Kooperationsverträge mit Pflege- bzw. Altenheimbetreibern ab. Hierbei geht es um die umfassende ärztliche Betreuung der Pflegeheimbewohner. Nach Auffassung des FG Berlin-Brandenburg sind in einem solchen Fall die Leistungen des MVZ (Regelvisiten, Rufbereitschaft, Fallbesprechung in multiprofessionellen Teams, Überweisung Fachärzte, Rezeptur und Medikation) an den Pflegeheimbetreiber als umsatzsteuerfreie Heilbehandlung zu beurteilen. Abzuwarten bleibt insoweit die Entscheidung des BFH in der Revision (Az. V R 5/24). In der Vergangenheit hat sich die finanzgerichtliche Rechtsprechung bereits mit ähnlich gelagerten Fällen befasst:
Nach § 4 Nr. 14 Buchst. b) UStG sind ärztliche Heilbehandlungen/Krankenhausbehandlungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts und damit eng verbundene Umsätze umsatzsteuerfrei. In Abgrenzung zu § 4 Nr. 14 Buchst. a) UStG lässt § 4 Nr. 14 Buchst. b) UStG damit auch die Umsatzsteuerfreiheit von „eng verbundenen Umsätzen zu“. Enge Verbundenheit bedeutet die Unentbehrlichkeit für das jeweilige therapeutische Ziel, nicht hiervon umfasst ist jedoch der Bereich Health Care oder Lieferungen und Leistungen, welche nur im Zusammenhangmit einer Krankenhausbehandlung entstehen.
Beispiele (umsatzsteuerfrei):
Gegenbeispiele (nicht umsatzsteuerfrei):
In einem ersten Schritt stellt sich für den Unternehmer in der Gesundheitsbranche im Rahmen von Arzneimittellieferungen zunächst schon die komplexe Frage nach der Identifizierung der umsatzsteuerlichen Leistungsbeziehungen.
Im Grundsatz erhält der Versicherte einer deutschen gesetzlichen Krankenkasse ein rezeptpflichtiges Arzneimittel von einer in Deutschland belegenen Apotheke, welche wiederum diese Leistung gegenüber der Krankenkasse in Rechnung stellt. Aufgrund des in § 2 SGB V normierten Sachleistungsprinzips erbringt die Apotheke eine gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG umsatzsteuerbare Leistung an die gesetzliche Krankenkasse. Im Falle einer grenzüberschreitenden Arzneimittellieferung innerhalb der EU handelt es sich dagegen um eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung (§ 6a UStG) und aus Sicht der inländischen Krankenkasse um einen innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG). Mangels Unternehmereigenschaft steht den gesetzlichen Krankenkassen in Bezug auf die innergemeinschaftlichen Erwerbe kein Vorsteuerabzugsrecht zu, sodass die Umsatzsteuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb eine Definitivbelastung darstellt. Die gesetzliche Krankenkasse selbst erbringt keine umsatzsteuerbare Leistung an ihre Versicherten.
Hinweis:
Gänzlich anders verhält es sich bei der privaten Krankenversicherung. Hier besteht zwischen dem Hersteller und der privaten Krankenversicherung weder eine mittelbare noch eine unmittelbare Leistungsbeziehung (EuGH, Urt. v. 20.12.2017 – C-462/16, Boehringer Ingelheim Pharma). Gleichwohl mindern Zahlungen des Herstellers auf Grundlage des § 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel (AMRabG) an die Unternehmen der privaten Krankenversicherung ebenfalls die Bemessungsgrundlage für die gelieferten Arzneimittel, sodass der Rabatt außerhalb der Lieferkette erfolgt (BFH, Urteil vom 08.02.2018 – V R 42/15; Abschn. 10.3 Abs. 7 Satz 7 UStAE).
Umsatzsteuerrechtliche Besonderheiten ergeben sich wiederum in Fällen der Einkaufs- und Verkaufskommission (§ 3 Abs. 3 UStG) im Bereich der Health Industry. Auch die komplexen Anwendungsfragen von Reihengeschäften spielen in diesem Spannungsfeld immer wieder eine gewichtige Rolle.
Die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage für Arzneimittellieferungen richtet sich nach dem Netto-Apothekenabgabepreis im Sinne des § 3 Abs. 1 AMPreisV unter Berücksichtigung von Rabatten sowie Zuzahlungen der Versicherten. Auf diese Lieferungen ist der Regelsteuersatz in Höhe von derzeit 19% anzuwenden. Probleme bereiten in der steuerrechtlichen Praxis insoweit die Handhabung von Entgeltminderungen, Entgelterhöhungen, Preisnachlässe in mehrstufigen Lieferketten sowie die umsatzsteuerlichen Auswirkungen von Preisnachlass-, Preiserstattungs- und Herstellergutscheinen.
Das Zeitalter digitaler Transformation wirkt sich auch unmittelbar auf die Inanspruchnahme von Heilbehandlungsmaßnahmen aus. Digitale Gesundheitsanwendungen können dabei zunächst zur reinen Wissensvermittlung über Krankheitsbilder oder mittels Smartphone zu Übungsanleitungen genutzt werden. Ob es sich bei jenen Gesundheitsanwendungen um eine umsatzsteuerfreie Heilbehandlungsmethode handelt, ist nach obigen Grundsätzen zu beurteilen, d.h. die konkrete Anwendung muss für den Patienten einen positiven gesundheitlichen Effekt haben. Dies mag zumindest für die digitalen Gesundheitsanwendungen im DiGA-Verzeichnis gelten (https://diga.bfarm.de/de/verzeichnis), zumal die Kosten für diese auch zumeist von Krankenversicherungen übernommen werden.
Hinweis:
Unterfällt die spezifische digitale Anwendung nicht der Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 UStG, ist die Anwendbarkeit des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG zu untersuchen.
Die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung von Sachverhalten in der Gesundheitsindustrie (Health Industry) ist häufig sehr komplex. Dies betrifft Unternehmen der pharmazeutischen Industrie insbesondere In den Bereichen Forschung, Entwicklung und Produktion sowie Krankenhäuser, Arztpraxen, Zahnärzte und Apotheken gleichermaßen. Auch Unternehmen der Biotechnologie und Biowissenschaften (Life Science) sehen sich immer wieder mit komplexen umsatzsteuerlichen Fragestellungen konfrontiert. Diese Unternehmen sollten umsatzsteuerliche Fragen nicht außer Acht lassen, sondern in ihre Wirtschaftlichkeitsanalysen einbeziehen. Das Umsatzsteuer-Kompetenzteam der Rechtsanwälte und Steuerberater von LHP bietet umfassende Beratung und Unterstützung in allen umsatzsteuerrechtlichen Problemfeldern in der Gesundheitsbranche. Lassen Sie sich von uns beraten und sichern Sie sich eine optimale umsatzsteuerliche Lösung!
Speziell für Ärzte, Apotheker, Krankenhausbetreiber und sonstige in der Health Industry, Health Care oder Bio-Tech tätige Unternehmen bieten wir die folgenden Leistungen an:



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