Der BFH setzte sich in seinem Urteil kritisch und umfassend mit der BMF-Richtsatzsammlung auseinander. Hierbei handelt es sich um eine Datensammlung der Betriebsprüfungsstellen, die seit langer Zeit in Ihrer Qualität und Repräsentativität umstritten ist. Der BFH folgt nun weitgehend dieser kritischen Sichtweise. Es bleibt abzuwarten, wie das Bundesfinanzministerium (BMF) auf dieses Urteil reagiert.
1. Einspruch gegen Schätzbescheide
Es sollte im Einzelfall geprüft werden, ob gegen Schätzbescheide, die ganz oder wesentlich auf der Anwendung der Richtsatzsammlung beruhen, Einspruch eingelegt wird. Insbesondere ist die kritische Sichtweise des BFH nun ein überzeugender Ansatz auch zur Verteidigung in Steuerstrafverfahren, so dass dort z.B. ein Einspruch gegen einen Strafbefehl erwogen werden kann. In Gesprächen mit Betriebsprüfungen – und in Steuerstrafverfahren mit Strafsachenstellen – können die zahlreichen Kritikpunkte gegenüber der Richtsatzsammlung nun unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 18.06.2025 fruchtbar gemacht werden, um ein besseres Ergebnis auszuhandeln. In der Praxis wurde durch Berater der Versuch unternommen, Auskunftsansprüche auf Einsichtnahme in Unterlagen geltend zu machen, welche der Erstellung der BMF-Richtsatzsammlung zugrunde liegen. Ein solcher Anspruch besteht nach der BFH-Rechtsprechung jedoch nicht (zum Informationsfreiheitsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern: Urteil v. 09.05.2025 - IX R 1/24, hierzu Carlé in NWB 29/2025 S. 1965). Dieser prozessuale Weg ist nunmehr jedoch auch nicht mehr notwendig, da die nun durch den BFH dargelegten erheblichen Zweifel an der Eignung der BMF-Richtsatzsammlung zu Lasten Ihres Beweiswertes gehen.
2. Antrag auf Aussetzung der Vollziehung
Da allein ein Einspruch noch nicht zu einem Vollstreckungsstopp führt, sollte gleichzeitig ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Schätzbescheide geprüft werden.
Eine Schätzung, die tragend auf der BMF-Richtsatzsammlung beruht, ist ernstlich zweifelhaft und schon deshalb muss Aussetzung der Vollziehung gewährt werden (§ 361 Abs. 2 Satz 2 AO). Gemäß dem Leitsatz 6 des BFH-Urteils bestehen derzeit erhebliche Zweifel an der Eignung der Richtsatzsammlung als Grundlage für einen äußeren Betriebsvergleich. Dies gilt nach hier vertretener Ansicht auch für den nicht entschiedenen Fall, dass keinerlei sonstige Aufzeichnungen bestehen und allein deshalb auf die BMF-Richtsatzsammlung zurückgegriffen wird. Für diesen Fall hat der BFH zwar die Anwendbarkeit vorsichtig erwogen, jedoch sind die Zweifel an der Tauglichkeit der Richtsatzsammlung auch für diesen Fall nicht ausgeräumt. Dies ist im Rahmen einer Aussetzungsentscheidung zu berücksichtigen, da auch in dem summarischen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Rechtslage nicht oberflächlich zu prüfen ist (vgl. allgemein zur Prüfungsdichte bei Aussetzungsentscheidungen: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Rz. 91).
Die Steueranwälte von LHP prüfen im Einzelfall die Möglichkeit eines Einspruchs gegen Schätzbescheide aufgrund von Betriebsprüfungen. Es kann bei offensichtlichen Buchführungsfehlern ggf. zu empfehlen sein, bereits vor Erlass von Schätzbescheiden im Einzelfall das Gespräch mit der Betriebsprüfung zu suchen um eine streitabkürzende Einigung auszuloten. Sollte dies nicht zum Erfolg führen, so bleibt immer noch die Möglichkeit des Einspruchs.
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