Neues BMF-Schreiben v. 09.12.2024 zum Vorsteuerabzug bei Kreditinstituten
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat mit einem umfangreichen Schreiben vom 09.12.2024 (III C 2 - S 7306/19/10003 :004, DOK: 2024/1060856) die Anforderungen an den Vorsteuerabzug bei Kreditinstituten präzisiert.
Besonderer Fokus liegt auf der Erstellung einer Verfahrensdokumentation zur Ermittlung der Aufteilung der Vorsteuerbeträge gemäß § 15 Abs. 4 UStG. Nach Ablauf der Übergangsfrist am 31.12.2025 müssen Kreditinstitute eine den neuen Anforderungen des BMF erfüllende Verfahrensdokumentation und Aufzeichnung nach § 22 UStG sowie nach § 63 UStDV erstellen. Bis zum Ablauf des 31.12.2025 können Kreditinstitute sich auf die bisherigen Anwendungsregelungen aus dem BMF-Schreiben vom 12.05.2005 berufen.
1. Grundsätze der Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG
Verwendet ein Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten, eingeführten oder innergemeinschaftlich erworbenen Gegenstand oder eine in Anspruch genommene sonstige Leistung sowohl für Umsätze, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, als auch für Umsätze, die den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 und 3 UStG ausschließen, hat er die angefallenen Vorsteuerbeträge in einen abziehbaren und einen nicht abziehbaren Teil aufzuteilen.
Der deutsche Gesetzgeber hat für die Frage der Aufteilung in Umsetzung des Art. 173 Abs. 2 MwStSystRL mit § 15 Abs. 4 Satz 2, Satz 3 UStG einen Vorrang vor einer Aufteilung nach dem Verhältnis der Umsätze (Gesamtumsatzschlüssel) geregelt. Nach § 15 Abs. 4 Satz 2, Satz 3 UStG ist die Anwendung eines Gesamtumsatzschlüssels nur zulässig, wenn „keine andere wirtschaftliche Zuordnung“ möglich ist. Eine Aufteilung nach dem Gesamtumsatzschlüssel kann wegen des Vorrangs anderer wirtschaftlicher Zuordnungen daher nur erfolgen, wenn kein anderer, präziserer Aufteilungsschlüssel in Betracht kommt.
Der nach § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG zulässigen sachgerechten Schätzung muss ein objektiv nachprüfbares, nach einer einheitlichen Methode ermitteltes Verfahren zugrunde liegen. Das heißt, die gewählte Schätzungsmethode muss realistisch sein und annähernd die sich bei einer vollständigen direkten Zuordnung aller Kosten ergebenden Vorsteuerverteilung widerspiegeln. Zudem darf sie keine selektiven Elemente enthalten, durch die bei der Berechnung des Aufteilungsschlüssels bestimmte Teile in nicht sachgerechter Weise beeinflusst werden. Der Begriff der einheitlichen Methode schließt aber die Anwendung verschiedener Schlüssel innerhalb des Unternehmens nicht aus.
2. Aufteilung der Vorsteuerbeträge bei Kreditinstituten – Segmentierung
Das BMF fordert nun in seinem oben genannten Schreiben, dass die von den Kreditinstituten gewählte Vorsteueraufteilungssystematik eindeutig und leicht nachprüfbar sein muss. Kreditinstitute sollen hierzu eine Verfahrensdokumentation der gewählten Vorsteueraufteilung erstellen, welche Erwägungen der Sachgerechtigkeit, Auswahl und Umsetzung umfasst.
Nach Auffassung der Bundesfinanzverwaltung trägt eine getrennte Betrachtung einzelner abgrenzbarer Unternehmensteile für Zwecke des Vorsteuerabzugs (sog. Segmentierung) den Anforderungen an eine Vorsteueraufteilung angemessen Rechnung. Bei den verschiedenen Geschäftsbereichen Investmentbanking oder Privatkundengeschäft handelt es sich z. B. jeweils um ein solches „Segment“.
In einem ersten Schritt ist daher nach Maßgabe des neuen BMF-Schreibens ein Segment zu bilden. Ein Segment besteht dann, wenn eine für sich betrachtet abgrenzbare Tätigkeit vorliegt. Als mögliche Segmente führt das BMF insbesondere die folgenden Tätigkeitsbereiche auf:
Organgesellschaften,
ausländische Betriebsstätten,
Filialen,
Geschäftsbereiche (z.B. Investmentbanking, Privatkundengeschäft, Firmenkundengeschäft),
Abteilungen (z. B. Versicherungsvermittlung, Immobilienverwaltung) und
Produktgruppen (z. B. Kreditgeschäft, Depotgeschäft, Immobilienhandel, Windkraftanlagen, Zertifikatehandel).
In einem zweiten Schritt sind die Eingangsleistungen einem Segment zuzuordnen. Innerhalb des jeweiligen Segments sind die Eingangsleistungen dann – soweit möglich – den Ausgangsleistungen direkt zuzuordnen oder, falls dies nicht möglich ist, innerhalb des Segments sachgerecht aufzuteilen.
Soweit eine Eingangsleistung für mehrere Segmente bezogen wird, hat eine Aufteilung auf die einzelnen Segmente zu erfolgen. Die Vorsteueraufteilung innerhalb des Segments erfolgt sodann mit dem für das jeweilige Segment gebildeten Vorsteuerschlüssel.
Lediglich für die nicht direkt oder keinem Segment unmittelbar zuordenbaren Eingangsleistungen (z. B. Gemeinkosten) nach einem sachgerechten „Restschlüssel“ unter Zugrundelegung aller Aktivitäten des Kreditinstituts zu erfolgen (sog. Residualschlüssel).
Für Leistungsbereiche des Bankgeschäfts, bei denen der Umsatz weitgehend nicht von vorsteuerbelasteten Eingangsleistungen bestimmt wird, kann die Marge eine präzisere wirtschaftliche Zuordnung darstellen, da nur diese zur Deckung der operativen Kosten eines Kreditinstitutes zur Verfügung steht. Die Marge kommt daher in folgenden Fällen als sachgerechter Aufteilungsmaßstab in Betracht:
Kreditgeschäft: Es wird der Saldo aus Kundenzins und Refinanzierungszins als Marge angesetzt.
Handelsgeschäft (Eigenhandel): Das Nettohandelsergebnis ist unter Berücksichtigung von Sicherungsgeschäften und Refinanzierungskosten anzusetzen.
Wertpapiergeschäft: Es wird die gesamte Provision aus den jeweiligen Geschäften abzüglich der Entgelte für bezogene Vorleistungen und weitergeleitete Provisionen angesetzt.
Negative Margen bleiben erhalten, sofern es insgesamt zu einem positiven Ergebnis kommt. Ergibt sich jedoch insgesamt eine negative Marge für einen Bereich, ist ein anderer Ansatz zu wählen, welcher sachgerecht ist.
3. Aufzeichnungspflichten
Das BMF stellt in seinem neuen Schreiben und mit Verweis auf die Rechtsprechung des BFH (Urt. v. 06.04.2016 – V R 6/14, BStBl. II 2017, 577) noch einmal klar, dass der Unternehmer (das Kreditinstitut) die Darlegungs- und Feststellungslast für alle den Vorsteuerabzug begründenden Tatsachen trägt.
Die gesetzlichen Grundlagen für die Aufzeichnungspflichten sind die Vorschriften der §§ 22 UStG und § 63 ff. UStDV. Hiernach muss ein sachverständiger Dritter die Zuordnung innerhalb angemessener Zeit nachvollziehen können. Das BMF macht in seinem neuen Schreiben umfangreiche Ausführungen zu den inhaltlichen Anforderungen der Aufzeichnungen. Bei Nichtbeachtung droht eine Versagung des begehrten Aufteilungsschlüssels.
4. Fazit und Empfehlungen für die Praxis
Die Klarstellungen und neuen umfangreichen Anforderungen des neuen BMF-Schreibens zu den Voraussetzungen der Anerkennung der Vorsteueraufteilung bei Kreditinstituten erfordern die Überprüfung und ggf. Aktualisierung der umsatzsteuerlichen Compliance-Abläufe bei Kreditinstituten. Das Umsatzsteuer-Kompetenzteam von LHP berät Kreditinstitute in allen Fragen der komplexen umsatzsteuerlichen Thematik „Vorsteuerabzug und Vorsteueraufteilung“.
Wir bieten zusammenfassend insbesondere die folgenden Leistungen an:
Unterstützung bei der Umsetzung der neuen Anforderungen aus dem BMF-Schreiben vom 09.12.2024 und umsatzsteuerliche Analyse des Status Quo,
Begleitung von Betriebsprüfungen, Umsatzsteuer-Sonderprüfungen sowie Umsatzsteuer-Nachschauen;
Abwehrberatung bzw. Begleitung und Durchführung von umsatzsteuerlichen Einspruchs- und Klageverfahren im Zusammenhang mit der Versagung des Vorsteuerabzugs;
„Beratung für Berater“: rund um die komplexen Anwendungsregelungen des neuen BMF-Schreibens unterstützen wir Steuerberaterkollegen gern punktuell. Mandatsschutz sichern wir gern schriftlich zu;
Bei Bedarf: ganzheitliche Beratung gemeinsam mit unseren LHP-Experten aus dem Bereich Umsatzsteuerstrafrecht.
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