In diesem Zusammenhang ist auch die neue Pflicht zur Nutzung der einheitlichen Datenschnittstelle gem. § 147b AO samt Schätzungsbefugnis zu sehen (siehe unser Rechtsanwalt Dirk Beyer, Spotlight, NWB 2024, S. 3294).
Zur bisherigen Rechtslage steht hier die Frage im Fokus, ob sich aus einem Verstoß gegen elektronischer Aufbewahrungspflichten trotz vorhandener Papierunterlagen eine Schätzungsbefugnis dem Grunde nach gem. § 162 AO ergibt (Stufe 1) und, wenn dies zu bejahten ist, in welche Höhe geschätzt werden darf (Stufe 2). Eine Schätzung setzt dem Grunde nach (1. Stufe) voraus, dass die Beweiskraftwirkung der Buchführung gem. § 158 Abs. 2 Nr. 1 AO nicht gilt, weil und soweit Inhaltliche (materielle) Buchführungsfehler oder wesentliche formelle Buchführungsfehler bestehen, die einem inhaltlichen Fehler gleichkommen (vgl. zu § 158 Abs. 2 Nr. 1 AO: BFH, Urteil v. 9.8.1991 - III R 129/85, BStBl 1992 II S. 55)
Auswirkung der Neuregelung § 147b, 158 Abs. 2 Nr. 2 AO n.F.
Nach dem Gesetzeswortlaut dieser Neuregelung führt bereits allein der Umstand, dass Daten nicht in der durch das BMF in einer Verordnung vorgegebenen Art und Weise (Vorgaben für eine Dateischnittstelle) zur Verfügung gestellt werden, zu einer Schätzungsbefugnis gem. § 162 AO (kritisch zu diesem Systemwechsel für diesen bloß formellen Mangel: Rechtssnwalt Dirk Beyer, NWB 48/2024 S. 3294). Dann würde allerdings nach hier vertretener Ansicht auf der zweiten Stufe (Schätzungshöhe) der Alternativnachweis z.B. mittels Papierunterlagen zu ermöglichen sein. Die Rechtsprechunhg hat diese Sichtweise bisher jedoch nicht abgesichert. Daher sollten Steuerpflichtige bzw. Unternehmer auf jedenfalls vorsorglich die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten beachten, also z.B. elektronische Aufzeichnungen auch in dieser Form aufbewahren. Es ist nicht gesichert, dass ein Finanzgericht später Papierunterlagen genügen lassen wird.
Die tatsächliche Anwendung der gesetzlichen Neuregelung voraus, dass durch das BMF zunächst noch die notwendige Buchführungsdatenschnittstellenverordnung erlassen wird. Bisher ist nur die Anhörung zum zweiten Verordnungsentwurf geschehen.
Weitere Hinweise hierzu in dem neuen Beitrag unseres Rechtsanwalts Dirk Beyer in der Fachzeitschrift NWB Nr. 25/2025 v. 21.06.2025, S. 1707.
Die Steueranwälte von LHP behalten die weitere Rechtsentwicklung zu Betriebsprüfungen im Blick. Schätzungen sollten im Einzelfall geprüft werden, ob ein Schätzungsgrund bestejt, sie auf eine realistischen Datengrundlage bestehen und auch der Höhe nach betriebsgerecht sind. Hier stellt sich im Einzelfall die Frage, ob der Alternativnachweis z.B. in Papierform im Gespräch mit der Betriebsprüfung und notfalls gerichtlich durchsetzbar ist.
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